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Die Mehrzahl der kleineren, älteren Papiermühlen betreibt jedoch
die Pappenfabrikation, und zwar Buchbinder-, Cartons-, Schachtel-,
Jacquardpappen (für Tüllweberei), Klöppelpappen, Balgpappen (für
die Instrumentenfabrikation). In Untersachsenfeld werden Preßspäne
gefertigt; Buntpapier in verschiedenen Sorten und Mustern in Ober-
Schlema. Die Cartonfabrikation wird auf dem Schindler'schen Blau-
farbenwerke, in Rautenkranz u. s. w. betrieben.
Auf dem Schindler'schen Blaufarbenwerke deckt sie nicht allein
den eigenen Bedarf, sondern bringt auch noch eine große Menge auf
den Markt; in einem Jahre werden ca. 5 Millionen Stück verschie-
dener Cartons und Kapseln angefertigt; aus Rautenkranz gehen jähr-
lich gegen 10 000 Ctr. Cartonnagen nach Süddeutschland. Fast alle
für die Weißwaaren-, Spitzen-, Muschel= und Instrumentenfabrikation
nöthigen Cartons werden im Erzgebirge angefertigt.
Der Bahnhof von Aue liegt auf dem rechten Muldenufer. Die
Mulde behauptet auch hier ihren Namen, obgleich am Vereinigungs-
punkte das Schwarzwasser das stärkere ist; ganz wie die schwächliche
Ost-Mulde, in welche die mächtige Zschopau untergeht.
Die Stadt Aue bildet scheinbar mit Zelle und Klösterlein einen
Ort. Das Kloster Zell-Maria an der Mulde wurde 1173 von
Bernhardinern gegründet, ging später an die Augustiner und 1263
an die Cistercienser über. Es bestand bis 1533; wurde 1429 von
den Hussiten und 1525 von den Bauern verwüstet. Die über 700
Jahre alte Kirche ist der einzige Ueberrest vom Kloster. Im Innern
Holzschnitzereien an der Kanzel, einige Bilder an der Empore, sowie
das Altargemälde. Besonders bemerkenswerth aber ist das außen,
an der Straße nach Alberode, wahrscheinlich zwischen 1220 und 1270
in Sgraffitomanier von Martinus gemalte Wandbild: in der Mitte
die heilige Jungfrau mit dem Jesuskinde auf dem Arme, links ein
Bischof mit Krummstab, Buch und Mithra, rechts eine weibliche Ge-
stalt mit Palmenzweig und Glorienschein. Die Sgraffitomanier,
welche meist erst dem 16. Jahrhunderte zugeschrieben wird, ist hier
nachweislich schon drei Jahrhunderte früher angewendet worden und
hat sich durch sechs Jahrhunderte hindurch, trotz des nördlichen Klima,
vortrefflich erhalten.
In Klösterlein liegt die große Maschinen= und Werkzeugfabrik
von E. Kircheis, welche sich ausschließlich der Herstellung von Blech-
bearbeitungsmaschinen und von Klempnerwerkzeugen widmet. Dieselbe
wurde 1861 in Aue gegründet, wo noch die „alte Fabrik“ in der
Stadt steht, um in der Heimath der Blech= und Blechwaarenfabri-
kation die menschliche Kraft und Geschicklichkeit durch Maschinenarbeit,
wo nicht zu ersetzen, so doch zu unterstützen und zu vervollständigen.