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vervollkommnet, daß die Handarbeit von ihr überflügelt wurde. In
Schneeberg und Plauen wurde damals vorwiegend Tambur= und
Plattstickerei auf dichterem Grunde, in Eibenstock Tamburstickerei auf
wollenem und seidenem Tüll, in Schönheide Tamburstickerei auf Tüll
(Pleinstickerei) ausgeführt. Im Jahre 1866 kam der Hoch= und
Reliefstich auf. An eingelegten Sachen wurden Tischdecken, Sopha-
kissen, Untersetzer u. s. w. gefertigt.
Die Plattstickerei wurde hauptsächlich in Schneeberg, Neustädtel,
Auerhammer, Niederschlema, Schöneck, Klingenthal, Steindöbra, Ober-
Sachsenberg, Eibenstock u. s. w. ausgeführt; die Tamburstickerei in
Eibenstock, Sosa, Schönheide, Carlsfeld, Morgenröthe, Tannebergsthal,
Jägersgrün, Rautenkranz, Hammerbrück, Schönheide, Neustädtel,
Zschorlau, Oberstützengrün, Wildenthal, Schöneck, Zwota, Klingenthal,
Brunndöbra u. s. w. Das Gebiet derselben setzt sich nach Böhmen
fort, wo Hirschenstand, Sauersack und Frühbuß die Hauptorte sind.
Die Tamburstickerei geschieht mit der Tamburirnadel, einer
feinen, der Häckelnadel ähnlichen Nadel, ohne Oehr und mit einem
Wiederhaken an der Spitze, mit welcher man durch das auf den
Rahmen gespannte und mit Rollen angestraffte Zeug sticht, unter dem
Zeuge den Faden um dieselbe schlingt, und so von Stich zu Stich
die vorangehende Schlinge mit dem Faden festhält. Nach Muster
oder Zeichnung fertigt man auf diese Weise Figuren u. s. w. in Kettel-
stich. In der Schweiz nennt man diese Arbeit Crochet = oder auch
Grobstickerei.
Die Tamburirnadel wurde 1775 durch Frau Clara Nollain
geb. Ungermann in Eibenstock eingeführt. Dieselbe stammte aus der
Gegend von Bialystock und hatte die Tamburirstickerei in einem Kloster
bei Thorn erlernt. (Wieck, S. 337.)
Die Handstickerei ging zurück, seitdem die Zahl der Stickmaschinen
mit jedem Jahre stieg. Nur die feinere und feinste Handstickerei er-
hielt sich; aber die Zahl der guten und geübten Arbeiter nahm immer
mehr ab. Die geschlungene Arbeit (Spachtelarbeit), fortlaufende
durchbrochene Tambur= oder Plattstichpleins auf Jaconnet, Mull
oder Tüll, welche ausgeschnitten wurden, war Anfang der 50er
Jahre Mode gewesen und wurde es Anfang der V0er Jahre
wieder.
Aber auch die Maschinenstickerei begann Mitte der 70er Jahre
zurückzugehen, so daß sie meist nur mit der Ausführung geringerer
Muster beschäftigt war. Erst gegen 1880 gelang es durch saubere
Ausführung guter Zeichnung die Handstickerei in leichten Mustern für
den großen Absatz zu überflügeln. Die Arbeitslöhne der Handsticker
waren in Folge dessen so herabgegangen, daß nur noch die Anferti-