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richtsrãte haben, soweit sie nicht als Richter bei
den erkennenden Gerichten mitwirken, den Wei-
sungen des Gerichtsherrn Folge zu leisten. Hält
der Militärjustizbeamte eine Weisung, Verfügung
oder Entscheidung mit den Gesetzen oder den sonst
maßgebenden Vorschriften nicht vereinbar, so hat
er dagegen Vorstellung zu erheben. Bleibt diese
erfolglos, so hat er der Weisung des Gerichtsherrn,
welcher alsdann allein die Verantwortung trägt,
zu entsprechen, den Hergang jedoch aktenkundig
zu machen. Die Akten sind unverzüglich von dem
Gerichtsherrn dem Oberkriegsgerichte zur recht-
lichen Beurteilung der Sache vorzulegen. Diese
Beurteilung ist für die weitere Behandlung der
Sache maßgebend.“ (Vgl. hierzu Romen-Rissom.
MStG#O # 97.) Da die Militärbeamten dem
MSt#B nicht unterstellt sind, ist ihr Ungehorsam
gegen einen B. des militärischen Vorgesetzten
auch kein militärisches Verbrechen oder Vergehen,
——— — — —-
hat aber als Verstoß gegen die militärische Zucht
und Ordnung Disziplinarbestrafung zur Folge
(Diszipl StO für d. Heer &1 Z. 1, §§32 ff). Dies
gilt indessen nur im Frieden. In Kriegszei-
ten, „im Felde" finden außer den Bestimmun-
gen der DStO auch die Vorschriften des MStGB
über Zuwiderhandlungen gegen die Pflichten der
militärischen Unterordnung auf die Militärbeam-
ten uneingeschränkt Anwendung (MStGB §§ 153,
89 ff). Zur Sicherung der Armee sowie zur Er-
haltung ihrer Schlagfertigkeit und Tatkraft ist es
dringend geboten, daß im Kriege der Militärbe-
amte denselben Pflichten und somit denselben
Strafbestimmungen unterworfen werde, wie eine
Person des Soldatenstandes. Als leitender Ge-
danke muß erachtet werden, daß der Militärbeamte
im Kriege Soldat, im Frieden aber Beamter ist
(Mot zu § 153 MStGGB; 5162 des Entw).
Quellen. MStG v. 20. 6. 72. Entwurf eines
MtGB nebst den Motiven (Drucksache Nr. 5 d. Deutsch.
RI 1. Legislat.-Periode, 1II. Session 1872). Die Kriegs-
artikel für das Heer v. 22. 9. 02.
Literatur: Brauer, Der dienstliche B. als
Grund der Straflosigkeit, im „Gerichtssaal“ 1856, 1, 381 ff;
van Calker, Die strafrechtliche Verantwortlichkeit für
auf B. begangene Handlungen insbesondere nach Militär-
strafrecht, 1891; von Nostitz-Wallwitz, Das mili-
tärische Delikt des Ungehorsams, 1906: Elsner von
Gronow und Sohl, Militärstrafrecht für Heer und
Marine des Deutschen Reichs, 1906; Hecker, Lehrbuch . . ..
’ gerichten abgeurteilte Verbrechen ab; für andere
des deutschen Militärstrafrechts; Herz und Ernst, Straf-
recht der Militärpersonen, 1905; Koppmann, Kommen-.
tar zum MStGB, 1903; von Marck, Der Militärstraf-
prozeß und seine Resorm, 1893, 1. Hälfte S 34 ff, 3283 ff,
382 f; Dangelmaier, Militärerechtliche und militär-
cthische Abhandlungen 76 ff, 1393: Eutscheidungen
des Reichsmilitärgerichts, 1902 ff (RMG);von Schwartz-
koppen, Entsch des Reichsmilitärgerichts, betrachtet vom
Standpunkte des Frontoffiziers, 1906. Nomen.
1 -
Begnadigung
A. Begnadigung und Rehabilitation S. 374.
B. Bedingte Begnadigung S. 331.
A. Begnadigung und Rehabilitation
I. Einleitung. 1 1. Begriff.
5s3. Rechtlicher Charakter.
* 2. Rechtfertigung.
é 4. Der Begnadigungsakt. — "„
—. ——° — — — — —— — — —
* (militärischer) — Begnadigung
II. Wirkungen. 15. Begnadigung i. e. S. 1 6. Re-
habilitation. — III. Träger des Gnadenrechts.
# 7. Begnadigung i. e. S. 1 8. Rehabilitation. — IV. De-
legation. 19. Im Reiche. 1 10. In den Bundesstaaten.
— V. Berfahren. (Grundlinien.) 1# 11. Begnadi-
gungssachen. # 12. Rehabilitation. — VI. 1 18. Sta-
tistik.
I. Einleitung
5 1. Begriff und Arten. B. ist Beseitigung
der Rechtsfolgen einer Straftat durch Verfügung
der Staatsgewalt. Sie kann erscheinen als Abo-
lition, Niederschlagung, wenn sie
Einleitung, Fortführung oder Beendigung eines
Strafverfahrens verhindert (]Abolitionl;
als Begnadigung im engeren Sinne,
wenn sie die infolge eines Deliktes erkannten
Rechtsfolgen ganz oder teilweise wieder aufhebt:
als Rehabilitation, wenn im Gnaden-
wege durch die Verurteilung verlorene Ehren-
rechte wieder hergestellt werden. Erstreckt sich die
Verfügung der Staatsgewalt auf eine ganze
Kategorie von Angeschuldigten — im Wege der
Abolition — oder von Verurteilten — durch B.
i. e. S. — so spricht man von Amnestiet). —
Vorliegender Artikel beschränkt sich auf die B.
imengeren Sinne (B.und die gnaden-
weise Rehabilitation (R). Es muß aber hier
noch scharf betont werden, daß — wie die Am-
nestie — auch die Restitution von Ehrenrechten
nicht als besondere Art der B. aufzufassen ist,
wenn dabei das Recht der Gnade ganz schranken-
los und ungebunden nach freiestem Ermessen
ausgeübt wird. Grundsätzlich ist nur dann (gna-
denweise) R — und somit eine besondere Art
der Gnade — anzunehmen, wenn die Aufhebung
der Ehrenfolgen nur nach besonders festgestellter
Besserung gewährt wird. Eine scharfe Scheidung
zwischen B. und R wird nicht regelmäßig möglich
sein (vgl. § 3).
#§#2. Rechtfertigung der Begnadigung im enge-
fren Sinne und der Rehabilitation. Die miß-
bräuchliche Anwendung der Gnade führte beson-
ders in der Aufk ärungszeit zu ihrer lebhaften
Bekämpfung. Beccaria, Filangieri, Bentham,
Kant, Feuerbach u. a. sprechen sich gegen sie
aus: Frankreich schafft sie im Code pénal von
1791 (l. tit. 7 a 13) für von Geschworenen-
Fälle überträgt es das Gnadenrecht den Ge-
richten. Das Senatuskonsult vom 16. Ther-
midor des Jahres X führte jedoch das souveräne
B. Recht wieder ein. Mit Recht! Bei der unver-
meidlichen Unvollkommenheit menschlicher Ge-
setze und der Möglichkeit richterlicher Irrtümer
ist die Gnade ein notwendiges Korrelat zur
Strafe. Es liegt in ihr eine „Selbstkorrektur der
Gerechtigkeit" (IJhering, Zweck 1, 428). Sie
erscheint als „Sicherheitsventil des Rechts“. —
1) Vgl. die Aufzählung der vom König von Württemberg
erlassenen Amnestien bei Bohn, Die Württbg. Justiz-
verwaltung 1, 791/792. Die vom Kaiser in den Reichs-
landen erlassenen Amnestien z. B. vom 24. 6. 1871;
9. 2. 78: 22. 9. 78; 9. 4. 38 usw. sind ersichtlich aus der
Sammlung von Gesetzen, Verordnungen usw. betr. die
Justizverwaltung in Elsaß. Lothringen (Register unter:
„Gnadenerlaß“).