504 Preußen und Rußland. 1863
dem Wiener Hofe, und unaufhörlich gingen seine Aufforde-
rungen zur Versöhnung mit Osterreich nach Berlin. Die
Antwort konnte hier nur dahin lauten, daß Osterreichs Ver-
halten jede Annäherung unmöglich mache, und England seine
Ermahnungen nach Wien zu richten habe, was dann freilich
in London die Stimmung für Preußen nicht verbesserte.
Wichtiger aber und bedenklicher war eine im Herbst 1862
eingetretene Wendung der französischen Politik. Getreu dem
einst von Cavour aufsgestellten Grundsatze, daß Rom die
Hauptstadt Italiens werden müsse, dies Ziel aber nur durch
friedliche Mittel zu erreichen sei, hatte das Turiner Cabinet
einen kecken Freischaarenzug Garibaldi's gegen Rom bei Aspro-
monte niedergeschlagen, zugleich aber auch erklärt, daß keine
italienische Regierung auf eine Lösung der Aufgabe in natio-
nalem Sinne verzichten dürfe. Kaiser Napoleon, der weder
die französische Besatzung aus Rom zurückziehen, noch die
Hoffnung aufgeben wollte, den Papst und Italien zur Aner-
kennung des jetzigen Besitzstandes zu nöthigen, beschloß darauf,
dem Turiner Cabinet seine hohe Ungnade deutlich zu machen,
ernannte für Rom und Turin Gesandte klerikaler Farbe, und
berief an Thouvenel's Stelle zur Leitung des auswärtigen Amtes
wieder den alten Gönner des Papstes und Osterreichs, Herrn
Drouyn de Lhuys. Von irgend einem Vertrauen auf die franzö-
sische Freundschaft konnte seitdem in Berlin keine Rede mehr sein.
Um so wichtiger war für Preußen die Bewahrung eines
zuverlässigen Einvernehmens mit Rußland, um so bedenklicher
eine Störung desselben durch die polnischen Wirren.
Es möchte schwer zu entscheiden sein, welche Gefahr für
Preußen die schlimmere gewesen wäre, der allerdings nicht sehr
wahrscheinliche Sieg der rothen Insurrection, wie sie Mieros-