Full text: Die Begründung des Deutschen Reiches durch Wilhelm I. Fünfter Band. (5)

160 König Wilhelm in Böhmen. 
tage gekommen war. So langte Benedek, von den trübsten 
Gedanken erfüllt, am Morgen des 1. Juli in Königgrätz an. 
Dort traf er ein Telegramm seines Monarchen, welches ihm 
trotz der bisherigen Unfälle dessen festes Vertrauen auf seine 
energische Führung aussprach, und empfing einen Adjutanten 
des Kaisers, den Oberstlieutenant von Beck, welcher sich durch 
eigene Anschauung von dem Zustand des Heeres unterrichten 
sollte. Gerade in diesen Stunden langten nun die Schaaren 
des ersten Corps bei Königgrätz an; der letzte Marsch, in 
einem Zuge von Miletin herüber, bei äußerst mangelhafter 
Verpflegung, hatte die Erschöpfung der Mannschaft und die 
Auflösung der Verbände auf den höchsten Grad gebracht: 
bei ihrem Anblick verlor Benedek die letzte Hoffnung, und 
telegraphirte kurz vor Mittag dem Kaiser: „bitte Ew. Majestät 
dringend, um jeden Preis den Frieden zu schließen; Kata- 
strophe für Armee unvermeidlich; Oberstlieutenant Beck geht 
gleich zurück." Man ermißt leicht den Eindruck, welchen diese 
Worte in der Hofburg machen mußten. Man hielt eine solche 
Größe und Nähe der Gefahr für undenkbar; jede Ader des 
nationalen Selbstgefühls sträubte sich gegen die Vorstellung, 
acht Tage nach der Kriegserklärung, ohne die Probe einer 
großen Schlacht, friedebettelnd bei dem so lange gering- 
geschätzten Gegner einzutreten. Allerdings schien nach den 
erlittenen Verlusten und bei der Fassungslosigkeit Benedek's 
sowohl eine ansehnliche Verstärkung des Heeres, als ein 
Wechsel im Oberbefehl unerläßlich: noch waltete in Wien die 
Stimmung der letzten Monate vor, in welchen die feindliche 
Aufregung gegen Preußen die alte Erbitterung gegen Italien 
überwogen hatte, und man kam zu dem Entschlusse, nicht bei 
Preußen, sondern unter Napolcon's Vermittlung bei Italien
	        
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