Full text: Die Begründung des Deutschen Reiches durch Wilhelm I. Fünfter Band. (5)

236 Französische Vermittlung. 
bereit, den Bundesreformplan vom 10. Juni, welchen der 
Kaiser ja gebilligt habe #), als erste Grundlage der Unter- 
handlung anzunehmen. Dieser Billigung aber wollte sich 
Napoleon nicht mehr erinnern; ein Deutschland, sagte er, 
welches nach Ausschluß Osterreichs allein von Preußen be- 
herrscht wird, erscheint der öffentlichen Meinung Frankreichs 
unzulässig. Reuß erläuterte, das künftige Parlament werde 
sich in eng begrenzter Competenz nur mit innern Angelegen- 
heiten beschäftigen, für die Verhältnisse nach Außen sei allein 
entscheidend, wer den Degen führe, und Preußen beanspruche 
lediglich für den deutschen Norden den Heerbefehl. Der Kaiser 
widersprach nur mit halber Kraft; ich vermißte, schrieb Reuß 
nachher dem Könige, seine sonst gewohnte Klarheit; er sprach 
wie ein Mann, der kein recht gutes Gewissen hat, und sich 
aus einer selbstgeschaffenen Verlegenheit heraus zu winden 
sucht. Napoleon entließ übrigens den Prinzen sehr gnädig, 
verhieß weitere Erwägung, und hoffte, ihn wieder zu sehen. 
Auch bei der Kaiserin zeigte sich das Schreckbild der 
deutschen Einheit als der wunde Punkt. Ihr habt, sagte 
ihm Eugenie, eine solche Krast und Schnelligkeit Eurer Armee 
bewährt, daß wir bei der Nachbarschaft einer solchen Nation 
Gefahr laufen, eines schönen Tages Euch ganz unversehens 
vor Paris zu sehen; ich würde Abends als Französin ein- 
schlafen und Morgens als Preußin erwachen. Eine einfache 
Annexion Hannovers und Kurhessens schien ihr dagegen geringe 
Bedenken zu erregen. 
Unmittelbar nach diesen Vorgängen erfolgte am Abend 
die Entscheidung. 
1) Goltz hatte dles am 17. Juni, unmittelbar nach elnem Ge- 
spräche mit dem Kaiser, berichtet
	        
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