346 Erlöschen des preußischen Berfassungsstreits.
Neben diesen Verfassungsfragen nahm auch die euro-
päische Politik die Sorge des Ministers unausgesetzt in
Anspruch. Fast in demselben Augenblick, in welchem König
Wilhelm die Friedenspräliminarien ratificirte, lief in Nikols-
burg am 27. Juli ein Telegramm des Herrn von Werther
ein, daß der russische Botschafter, Baron Oubril, jetzt auch
amtlich den Antrag auf Berufung des von Preußen schon
vor dem Kriege genehmigten Congresses eingebracht, und die
gleichzeitige Vorlage des Antrags in Paris und London be-
richtet habe. Während dann am folgenden Tage, am 28. Juli,
die Ratificationen der Präliminarien ausgetauscht wurden, tele-
graphirte Graf Goltz, daß Tags zuvor Napoleon ihn ver-
traulich befragt hatte, ob Frankreich nicht bei der endlichen
Regelung der deutschen Angelegenheiten Landau und Luxem-
burg erhalten könne; es ergebe dies nur eine Stärkung der
französischen Defensive, ohne irgendwie Deutschlands Sicher-
heit zu schädigen; die öffentliche Meinung in Paris sei
äußerst aufgeregt, und bedrohe die Dynastie, wenn Frankreich
völlig leer ausgehe. So rückte die Gefahr auf beiden Seiten
näher; Bismarck erstattete dem Könige darüber Vortrag un-
mittelbar vor der Abreise desselben aus Nikolsburg, und
erhielt auf der Stelle die Zustimmung zu der Ansicht, daß
beiden Zumuthungen die entschlossenste Abweisung entgegen
zu setzen sei. Was Frankreich betraf, so dachte er nichts zu
thun, bis Benedetti die am 26. Juli verheißene amtliche Er-
öffnung gemacht hätte; in der russischen Sache telegraphirte
er gleich den 29. an Werther, Preußen sei im Mai auf den
Congreßantrag eingegangen, um den Krieg zu vermeiden;
nachdem man aber den Krieg mit Gefahr des eigenen Daseins
habe führen müssen, könne man die schwer erkauften Vor-