Antrag auf ein Zollvereinsparlament. 353
beantragte ein Führer der Nassauer liberalen Opposition, Karl
Brann aus Wiesbaden, eine Erklärung, daß zwar die wirth-
schaftliche Einigung auch mit den außerhalb des Bundes
stehenden Staaten aufrecht erhalten, jedoch die Verwaltung
der Zollvereins-Angelegenheiten unbedingt der Centralgewalt
im Bundesstaate, und die Gesetzgebung darüber dem Bundes-
parlament anheimgegeben werden sollte, in welchem letzteren
dann zu diesem bestimmten Zweck auch Abgeordnete der Süd-
staaten nach Verhältniß der Bevölkerungszahl mitzustimmen
hätten. Alle Anwesenden waren einverstanden mit dem Ziele,
welches Braun im Auge hatte, der Verwerthung der materiellen
Interessen des Südens, welche gebieterisch die Fortdauer des
Zollvereins forderten, zur gänzlichen Verwischung der trennen-
den, von. Frankreich gezogenen Mainlinie. Mehrere Redner
aber fanden, daß nach Braun's Antrag der auf die Süd-
staaten geübte Druck nicht stark genug sei, und man einigte
sich über eine einstimmige Meinungsäußerung, daß das von
Braun vorgeschlagene Abkommen höbchstens bis 1870 gelten,
dann aber den Süddeutschen nur die Wahl bleiben sollte,
entweder dem Bundesstaate völlig beizutreten, oder aber aus
dem Zollverein auszuscheiden. Niemand ahnte dhmals, daß
der hier bezeichnete Termin von anderer Seite die ent-
scheidende Bedeutung für Deutschlands Zukunft erhalten würde.
Während auf diese Art die Gründung und die Aus-
dehnung des Bundesstaats gleichzeitig zur Sprache kam,
legte König Wilhelm's Regierung die Hand auch an die
wichtigste Voraussetzung der deutschen Wiedergeburt, die Her-
stellung des innern Friedens zwischen der Krone und der
Landesvertretung in Preußen. Auf Sonntag, den 5. August,
zur Mittagsstunde, war die Cröffnung des Landtags im
v. Sybel, Pegrünbung 5. brusschen Neiches. V.