420 Innere Entwicklung.
solche Stimmungen fühlbar. Zwar aller Orten widerstrebte
der Adel und die orthodoxe Geistlichkeit, Beide die Haupt-
stützen der gestürzten Dynastien, der preußischen Herrschaft,
in Hannover mit grimmiger und rühriger Erbitterung, in
Kurhessen und Nassau mit mehr oder weniger zur Schau
getragener Abneigung. Dagegen hielten die hessischen und
nassauer Liberalen ganz entschieden die preußische Partei,
und hatten ohne Frage die Mehrheit der Bevölkerung hinter
sich, während in Hannover die Führer des Nationalvereins
einstweilen nur in den Städten und in dem altpreußischen
Ostfriesland auf stärkeren Anhang rechnen konnten. In
Schleswig-Holstein war, wie wir sahen, der politische Eifer
schon vor dem Kriege wesentlich erloschen; die Bevölkerung
erwartete in tiefer Ruhe die kommenden Dinge, und eine
große Bittschrift gegen die Annexion, welche die Führer der
Augustenburger Partei an den preußischen Landtag richteten,
fand kaum ein Zehntel der Unterschriften, welche einst die
Ankunft des Herzogs Friedrich begrüßt hatten.
Etwas anders als im Lande zeichneten sich die Ten-
denzen im Landtag. Das Herrenhaus war erfüllt mit freu-
digem Selbstgefühl über den glänzenden Triumph des von
ihm standhaft unterstützten Ministeriums, wenn auch einiger
Maaßen verdrießlich über das Begehren der Indemnität,
welches der Mehrzahl seiner Mitglieder als eine unnöthige
und selbst gefährliche Nachgiebigkeit gegen die revolutionären
Grundsätze erschien. An einen Widerspruch gegen die Regie-
rung war jedoch auch in diesem Punkte nicht zu denken.
Bei Weitem nicht so sicher war das Ministerium der Mehr-
heit im Hause der Abgeordneten. Die conservative Partei
war allerdings bis zur kleineren Hälfte des Hauses heran-