Lage Deutschlands. 461
innere Verwaltung der Einzelstaaten, erheblich einzuschränken.
Für die Reichsgesetzgebung würde der Reichstag nicht aus
zwei, sondern nur aus einem Hause bestehen, dieses aber
nach dem 1849 erlassenen demokratischen Wahlgesetze gewählt
werden. Jedes Gesetz würde der Zustimmung sowohl der
Bundesregierung als des Reichstags bedürfen; von dem
suspensiven Veto von 1849, wie von dem liberum veto
im alten Bundestage war keine Rede mehr. Der tiefstgreifende
Unterschied aber zwischen 1849 und 1866 bestand in der
Gestaltung der Reichsregierung: dort ein constitutioneller
Erbkaiser mit verantwortlichen Ministern, unter völliger Aus-
schließung der deutschen Fürsten, hier die Gesammtheit dieser
Fürsten in einem dem alten Bundestage nachgebildeten
Bundesrathe mit Ausschüssen für die einzelnen Verwaltungs-
zweige, unter dem Präsidium des Königs von Preußen,
welcher durch die ihm ein für alle Male übertragene Leitung
der auswärtigen Politik, des Heeres und der Marine eine
überragende Stellung einnahm, sonst aber im Bundesrathe,
trotz einer Verstärkung seines Stimmrechts wie jeder andere
Fürst durch eine Mehrheit überstimmt werden konnte.
Einst hatte die Nationalversammlung, durch eine volks-
thümliche Freiheitsbewegung emporgetragen, ihr Werk mit
der Zertrümmerung der alten Bundesgewalt begonnen und
dann auf dem freigewordenen Boden eine monarchische
Reichsregierung zu bilden versucht, wodurch sie einerseits die
Fürsten auf das Tiefste verletzte, andrerseits die demokratischen
Parteien zu feindlicher Stellung bestimmte. Sie hatte über-
sehen, wie oft in Deutschland neben einem idealen Vor-
wärtsstreben die feste Anhänglichkeit an die hergebrachten
Lebenszustände lebendig bleibt. Die deutsche Einheit war