90 Die ersten Wochen des Reichstags. 1867
der einzelnen Verwaltungszweige — mit einer geringen Mehr-
heit angenommen. Als dann aber der ganze Artikel mit dem
Zusatz zur Abstimmung kam, hatten Bennigsen's conservative
Gegner noch einige Reserven herangeholt, und der ganze
Artikel wurde mit 127 gegen 126 Stimmen abgelehnt, der
Bundeskanzler also aus der Verfassung hinausgeworfen.
Natürlich konnte es dabei nicht bleiben. In einem
spätern Artikel wurde er durch einen Antrag des Grafen
Bethusy-Huc wieder in das Leben zurückgerufen; als darauf
Bennigsen seinen Zusatz auch hier einzuschalten wünschte,
wurde er mit verstärkter Mehrheit, 140 gegen 124 Stimmen,
abgewiesen.
Zu einem folgenden Artikel: Die Anordnungen des Prä-
sidiums bedürfen zu ihrer Gültigkeit der Gegenzeichnung des
Bundeskanzlers — beantragte Bennigsen den Zusatz: welcher
dadurch die Verantwortlichkeit übernimmt — und hatte die
Genugthuung, daß eine ansehnliche Mehrheit ihn genehmigte.
Aber die Befriedigung dauerte nicht lange. Denn der,
die Verantwortlichkeit als eine juristische charakterisirende,
weitere Antrag auf Verheißung eines künftigen Gesetzes dar-
über wurde mit einer ebenso starken Mehrheit zurückgewiesen,
und dadurch der Wille des Hauses ausgesprochen, daß es in
der Bundesverfassung nur eine moralische Verantwortlichkeit
des Ministers, nur eine Beurtheilung derselben durch die
öffentliche Meinung und die Geschichte geben solle.
Am 28., 29. und 30. März behandelte darauf das Haus
die Artikel über die künftige Stellung des Reichstags. Einige
der üblichen parlamentarischen Privilegien, welche dem Ent-
wurfe fehlten, wurden demselben ohne erheblichen Widerspruch
hinzugefügt: die Freiheit wahrheitsgctreuer Berichte über die