1867 Stimmungen in Berlin. 121
die Behauptung des Besatzungsrechts, also für den Krieg.
Während nur Roon und Steinmetz Bismarck's Friedens-
stimmung theilten, im Hinblick auf die gewaltige Verstärkung,
welche dem deutschen Heere binnen drei Jahren durch die
militärischen Organisationen des Nordbundes zuwachsen würden;
meinten dagegen die Andern, bei dem jetzigen unfertigen
Zustande der französischen Armee würden sie mit der Zünd-
nadel in vierzehn Tagen die französischen Vorderlader auf
Paris zurückwerfen, später aber nach Vollendung der fran-
zösischen Rüstung und Bewaffnung würde der Kampf un-
endlich opfervoller sein. Aber keiner von ihnen, auch Moltke
nicht, wagte bei dem Könige dieser Ansicht Ausdruck zu
geben:!). Als der Bibliothekar des Königs diesem einmal,
am 20. April, erzählte, alle Welt in Berlin rede von dem
bevorstehenden Kriege gegen Frankreich, sagte der König sehr
ernst: „Ich habe das Wort Krieg noch gegen keinen Menschen
ausgesprochen, und selbst meinen eignen Gedanken noch nicht
vorgelegt. Bismarck und Roon haben bei allen Verhand-
lungen über die unangenehme Sache nicht einmal die Mög-
lichkeit eines Kriegs gegen mich erwähnt; und ich habe Roon
auch noch nicht gefragt, ob er mit der Herstellung der Fahr-
zeuge und Ergänzung der im letzten Feldzug verbrauchten
Vorräthe fertig ist“?). Die preußische Regierung also war
so weit wie möglich von kriegerischen Gelüsten entfernt. Die
populäre Bewegung aber in Nord= und Süddeutschland
schlug immer höhere Wellen, allerdings von verschiedenen
Farben. Fort und fort erschienen begeisterte Beschlüsse von
nationalgesinnten Volksversammlungen und Kammermojori-
) Mittheilung des Feldmarschalls an den Verfasser.
) Schneider I. c. S. 306.