Full text: Die Begründung des Deutschen Reiches durch Wilhelm I. Sechster Band. (6)

1867 Der vierte Artikel des Prager Friedens. 181 
Zunächst ist es unwidersprechlich, daß diese Bestimmungen 
den süddeutschen Staaten, die bei dem Vertrage nicht mit- 
gewirkt hatten, schlechthin keine Verpflichtung auferlegen konnten. 
Auch die beiden Großmächte haben nach dem deutlichen 
Wortlaut des Artikels sich nicht zugesagt, die Gründung 
eines Südbundes zu veranlassen; sie haben nur die negative 
Pflicht übernommen, eine solche Gründung nicht zu hindern. 
Die Südstaaten behielten hierin völlige Freiheit. Wenn sie 
sich in der angegebenen Weise vereinten, so blieb es dem 
Gutdünken ihres Bundes überlassen, in irgend eine nationale 
Verbindung mit dem Nordbund zu treten, ohne dadurch die 
internationale Unabhängigkeit dem Auslande gegenüber ein- 
zubüßen. Wernn sie dagegen die Erschaffung eines Südbundes 
unterließen, so war der darauf bezügliche Satz des Prager 
Friedens überhaupt wie nicht mehr vorhanden, und es war 
rechtlich unmöglich, daraus für die einzelnen Südstaaten 
Rechte oder Pflichten abzuleiten, z. B. einem derselben oder 
allen den einfachen Eintritt in den Nordbund zu verbieten. 
Denn mit der Auflösung des alten deutschen Bundes hatte 
jeder von ihnen volle Souveränität und folglich auch freies 
Verfügungsrecht darüber gewonnen. 
Aber Preußen: war es durch den Vertrag nicht ver- 
pflichtet, den Eintritt süddeutscher Staaten in den Nordbund 
abzulehnen? Hierüber gab es auch in Deutschland verschiedene 
Ansichten. Die badische Regierung zog den einfachen Schluß, 
da mit dem Wegfall des Südbundes die betreffende Clausel 
über denselben bedeutungslos werde, sei sie auch für Preußen 
nichtig, und dieses zu jedem Vertrage mit jedem süddeutschen 
Staate berechtigt. Daneben aber machte sich eine strengere 
Auffassung geltend. Der Prager Friede stellte ohne Zweifel
	        
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