Full text: Die Begründung des Deutschen Reiches durch Wilhelm I. Sechster Band. (6)

1866 Abwendung von Preußen in Schleswig-Holstein u. Frankfurt. 11 
hagen und begehrten jetzt mit wachsender Ungeduld die Aus- 
führung jenes Artikels des Prager Friedens, kraft dessen ihre 
eigne Abstimmung über ihre politische Zukunft entscheiden 
sollte. Hier war denn freilich erst eine wahrscheinlich recht 
weitschichtige Verhandlung zwischen den Höfen von Berlin und 
Kopenhagen erforderlich über die Abgrenzung des der Ab- 
stimmung zu unterziehenden Bezirks, über die Regelung des 
Stimmrechts und der Gruppirung der Stimmenden, endlich 
über die Garantien für die bei der Abstimmung sich ergebende 
Minorität. 
Geradezu eine stille Wuth aber kochte unter den obern 
Einwohnerclassen in der alten Reichs= und Bundesstadt am 
Main. Die Frankfurter waren immer gut österreichisch ge- 
wesen, hatten die hochnasigen Preußen niemals leiden mögen; 
jetzt sollte diese Stätte der alten Kaiserwahlen, diese Haupt- 
und Residenzstadt des durchlauchtigsten deutschen Bundes, in 
die Stellung einer gemeinen preußischen Landstadt herunter- 
gerissen werden, fast auf gleicher Linie mit den bisher unter- 
thänigen Landgemeinden. Es war empörend. Bisher hatte 
man im alten, durch 1848 nicht allzusehr gestörten Brauche 
fortgelebt; das städtische Regiment war in guter Ordnung und 
auf das Gedeihen der Bürgerschaft bedacht; der ganze Zustand 
wurde durch eine Kette mannichfaltiger Privilegien geschirmt, 
hinter welcher sich die Bevorrechteten unter wechselseitiger 
Nachsicht sehr wohl aufgehoben fühlten. Und nun erhob 
sich gegenüber diesem abgeschlossenen Kreise ruhiges Behagens 
das Schreckbild preußischer Freizügigkeit, Gewerbefreiheit, 
Gleichheit vor dem Gesetz, allgemeiner Wehrpflicht; es war, 
als sollten drei Sturmfluthen auf einmal einen wohlgehegten 
Gartengrund überschwemmen. Der Zorn war gewaltig bei
	        
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