Full text: Die Begründung des Deutschen Reiches durch Wilhelm I. Sechster Band. (6)

1867 Mißvergnügen in den von Preußen annectirten Landen. 229 
Preußen geltende, die auch für die alten Provinzen fortdauern 
sollte, so daß hier also auf die Rechtseinheit im ganzen Staate 
verzichtet wurde. Man will, sagten die annectirten Juristen, 
die mit ihrem bisherigen Strafprocesse ganz zufrieden gewesen, 
mit jenem Berliner Erzeugniß ein Experiment in corpore vili 
machen. Noch schärfer war die Kritik, als der Justizminister 
in Hessen und in Hannover eine lange Reihe specieller Ande- 
rungen in dem dort geltenden Civilproceßverfahren einführte, 
die von den Fachmännern und der Bevölkerung einstimmig 
als Verschlechterungen und Belästigungen empfunden wurden. 
Vollends als schwere Beleidigung wurde in jenen beiden 
Provinzen eine weitere Verordnung angesehn, durch welche 
für sämmtliche annectirte Lande ein gemeinsames Oberappel- 
lationsgericht in Berlin eingesetzt wurde. Denn seit mehreren 
Menschenaltern war man ebenso stolz in Hannover auf den 
unwidersprochenen Ruf des höchsten Gerichts in Celle, wie 
in Kurhessen auf die ebenso anerkannte Tüchtigkeit des höchsten 
Gerichts in Cassel: wozu diese vom Volke verehrten Tribunale 
erstes Ranges jetzt zu Appellhöfen zweiter Instanz erniedrigen? 
Und auch hier war nicht die Einheit des Staats der treibende 
Grund gewesen. Denn die Verordnung schuf neben dem 
fortbestehenden preußischen Obertribunal ein zweites höchstes 
Gericht, während die preußische Verfassung ausdrücklich vor- 
schrieb, es solle für den ganzen Staat nur Ein höchstes Gericht 
bestehn. 
Wenn nun schon diese Dinge vielfachen Verdruß im 
Lande verbreiteten, so erhob sich mit geringerem Rechte ein 
wahrer Sturm von Verwünschungen gegen die gleichzeitigen 
Maaßregeln der preußischen Finanzverwaltung. Es war 
nicht so sehr das am 1. Juli eintretende preußische System
	        
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