Full text: Die Begründung des Deutschen Reiches durch Wilhelm I. Sechster Band. (6)

14 Vorbereitung des Reichstags. 1866 
hannoverschen Bevölkerung vermochten sie einstweilen nicht 
auf ihre Wege herüber zu ziehen. Die mannichfachsten Ur- 
sachen wirkten hier zusammen. Jene Abneigung gegen das 
preußische, oder wie man auch hier kurzweg sagte, das Berliner 
Wesen war bei den Niedersachsen wie bei den Süddeutschen 
weit verbreitet. Andrerseits fiel der particulare Sinn zu- 
sammen mit der Loyalität gegen den König, dessen tragisches 
Geschick die Erinnerung an seine Wort= und Rechtsbrüche in 
tiefem Mitleid ausgelöscht hatte: unzählige Male wurde die 
Rede von dem tausendjährigen Verwachsensein des Landes 
mit dem hohen Welfenhause wiederholt, obgleich die geschicht- 
liche Thatsache niemand unbekannt sein konnte, daß Georg V. 
gar kein Welfe, sondern der Nachkomme eines ittalienischen 
Fürsten, des Markgrafen Azzo von Este, war, und daß dessen 
Geschlecht erst im 12. Jahrhundert herrschende Macht in 
Niedersachsen gewonnen hatte. Gewerbliche, locale und 
Standesinteressen kamen dazu. Die Ritterschaften hatten 
zwar schon längst nicht mehr den Besitz der Regierungs- 
gewalt wie in alten Zeiten gehabt, wohl aber im Vereine 
mit einer Anzahl patricischer Bürgerfamilien sich des größten 
Theils der Genüsse erfreut, die aus dieser Quelle zu schöpfen 
waren, der zahlreichen höheren Amter am Hofe, in der Ver- 
waltung, der Armee, den Gesandtschaften, sonstiger königlicher 
Gnadenerweisungen aller Art, einer bedeutenden, oft bestim- 
menden Wirksamkeit in der Gesetzgebung: das Alles wurde, 
wenn nicht vernichtet, so doch auf ein Zehntel beschränkt, 
wenn Hannover zur Provinz eines zehnfach größern Staates 
wurde. Dieselbe Sorge bedrängte die bisherige Residenzstadt, 
welche mit der Beseitigung des Hofes sofortige Verödung und 
Verarmung aller Gewerbe im Anzug zu sehn glaubte. Den
	        
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