1867 Aufhebung der Zinsbeschränkung. 255
Noch in anderer Beziehung ist diese Verhandlung merk-
würdig. Es ist die erste, in der ein deutsches Parlament
das socialdemokratische Banner in offener Entfaltung sah.
Die Zahl der anwesenden Socialisten war noch nicht groß,
vier oder fünf, wenn ich nicht irre, und diese unter einander
durch bittern Haß gespalten: die nationalgesinnten Lassalleaner
Schweitzer und Försterling, die Kosmopoliten Bebel und
Liebknecht, und dazu der christlich-sociale Geheimrath Wagener.
lber Lasker's Antrag nahm Schweitzer das Wort. Er ver-
kündete den socialistischen Grundsatz von der Todfeindschaft
zwischen Capital und Arbeit, von der rechtlosen Ausbeutung
der Arbeiter durch den Capitalisten, von dem innern Kriege
unter den Capitalisten selbst im unbarmherzigen Wetteifer der
Concurrenz. Jetzt wolle man, rief er, dem schmählichsten
Wucher die gesetzliche Weihe geben und damit die Waffen
des großen Capitalisten zur Vernichtung des kleinen vermehren.
Er freue sich dieser Maaßregel, da sie den Prozeß der Selbst-
auflösung des ganzen Systems beschleunige; ich stimme, sagte
er, für den Antrag aus Bosbeit.
Lasker und Braun (Wiesbaden) legten mit scharfem Nach-
druck die Grundlosigkeit der ganzen Erörterung dar. Braun
stellte ihm das liberale Princip entgegen: es ist Thorheit,
von einem Gegensatz zwischen Capital und Arbeit zu reden,
Capital ist aufgespeicherte Arbeit, Arbeit ist flüssiges Capital.
Wir werden sogleich noch Weiteres über das Thema ver-
nehmen.
Das Haus nahm den Antrag Lasker mit kleinen Ande-
rungen an, und auch der Bundesrath gab ihm nach kurzer
Zeit seine Zustimmung.