1866 Offentliche Demonstrationen. 17
die patriotischen Damen in weiß-gelber, wie die Polinnen
1863 in schwarzer Toilette; am Morgen fand man oft die
Bürgersteige auf den Straßen mit weiß-gelbem Sande be-
streut. Den preußischen Soldaten rief das Volk „Bismarck"
oder „Kukuk“ nach (der Adler auf dem Helme wurde ver-
spottet) und oft genug war Schlägerei und Tumult davon
die Folge. Nach Herrnhausen und später zur Marienburg,
wo auf Befehl ihres Gemahls die Königin Wohnsitz ge-
nommen, bildete sich eine Art von Wallfahrts-Cultus aus;
lange Reihen beiderlei Geschlechts zogen dorthin, um ihre
Hingebung oder kleine Geschenke der Majestät zu Füßen zu
legen. Eine Adresse mit vielen tausend Unterschriften wurde
zum Geburtstag des Kronprinzen nach Wien überbracht.
Als König Georg dem preußischen Annexionsgesetze mit
einer Rechtsverwahrung in Gestalt eines Manifestes ant-
wortete, welches mit Glück den Stil päpstlicher Verfluchungs-
bullen nachahmte, brachten es die Getreuen zu Stande, daß
an Einem Tage die Abdrücke der Urkunde in allen Städten
und Dörfern des Landes placardirt oder in die Häuser ge-
tragen wurden. Dumit endlich diesem Treiben auch ein
politisches Parteiprogramm nicht fehle, unterzeichneten 110
Mitglieder der Ritterschaften am 7. November einen Beschluß,
worin sie ihren tiefen Schmerz über die Annexion aussprachen,
die bisherige Staatsverfassung für fortdauernd rechtskräftig
und jede Anderung derselben ohne Zustimmung der Stände-
versammlung und der Provinziallandschaften für null und
nichtig erklärten.
All diese Agitation vollzog sich mit heiterer Unbefangen-
heit und stets wachsendem Umfang während des ganzen
Oktober und November, da die preußische Negierung einst-
v Sybel, Begründung d. deutschen Reiches. VI.