Full text: Die Begründung des Deutschen Reiches durch Wilhelm I. Sechster Band. (6)

306 Preußische innere Politik. Anfang 1868. 1867 
beschwerde beim Obertribunal ein. Wieder hoben sich dann 
die Hoffnungen der Liberalen, als Bismarck am 4. März 
dem Reichstag den Entwurf der Bundesverfassung vorlegte, 
worin kurz und rund den Mitgliedern des Reichstags für 
jede in ihrem Beruf gethane Kußerung die Unverfolgbarkeit 
zugesichert wurde. Es war deutlich, daß die Wege der das 
Jahr zuvor so enge verbundenen Minister auseinander zu 
gehn begannen: wie wäre es denkbar, daß die Regierung, 
was sie für den Reichstag anerkannt, dem in gleichartiger 
Thätigkeit wirkenden Landtag bestreiten sollte? Jedoch dem 
Obertribunal erschien dies ganz natürlich: am 26. Juni hob 
es die freisprechenden Urtheile der zweiten Instanz nochmals 
auf und wies die Processe zu erneuerter Behandlung nach 
Maaßgabe des von ihm bekräftigten Rechtsgrundsatzes in die 
erste Instanz zurück. Daneben war noch ein Diseiplinar- 
verfahren gegen Twesten und Lasker (beide waren richterliche 
Beamte) beim Berliner Kammergericht anhängig, theils wegen 
der Parlamentsreden vom 10. Februar 1866, theils wegen 
späterer Wahlreden. Der Hof verurtheilte darauf am 3. Juli 
die beiden Abgeordneten wegen der Wahlreden zu einer Geld- 
buße und einem Verweis, erklärte aber auf's Neue, daß die 
Parlamentsreden nach Artikel 84 der Verfassung unverfolgbar 
seien. Der Zorn darüber war groß im Justizministerium, 
und die Staatsanwaltschaft legte Berufung ein, weil das 
Gericht nicht, wie es sich gebührt hätte, auf Amtsentsetzung 
erkannt habe. 
In der ersten Instanz, für Twesten dem Berliner Stadt- 
gericht, nahm man sich Zeit zu der neuen Beschlußfassung 
über Twesten's Rede von 1865. Hier erwog man, daß 
nach der Entscheidung des Obertribunals über den Artikel 84
	        
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