Full text: Die Begründung des Deutschen Reiches durch Wilhelm I. Sechster Band. (6)

1866 Anderung der Ansichten in Berlin. 351 
aller Verhältnisse verhängt worden. Bei den weiteren Ver- 
handlungen räumte Napoleon ein, die Wahl eines fremden 
Fürsten seiallerdings, wie Osterreich behauptete, den europäischen 
Verträgen von 1856 und 1858 zuwider, dennoch aber sei 
und bleibe sie in der Sache das einzig Verständige und 
Richtige. In Berlin aber hielt man es für sehr wahrscheinlich, 
daß bei Annahme des Antrags der dann einzusetzende Hospodar 
ein ausgesprochener Parteigänger der Antragsteller sein würde, 
und dieser Möglichkeit gegenüber erschien die sonst bedenkliche 
Wahl des Prinzen Karl doch als die bessere Auskunft. So 
beschloß Bismarck, zwar amtlich in der Conferenz weder zu 
fördern noch zu hindern, im Stillen aber dem Prinzen den 
Muth zu stärken und die Wege zu ebnen. 
Am 19. April lud er den jungen Herrn zu sich ein 
und sagte ihm, nicht als Staatsmann, wie er bemerkte, sondern 
als Rathgeber und Freund: er rathe ihm, den kühnen Ent- 
schluß zu fassen und direct nach Bukarest abzureisen; vom 
Könige möge er nicht ausdrücklich die Zustimmung dazu, 
sondern nur Urlaub in das Ausland erbitten, was der König 
verstehn werde. Er solle dann im tiefsten Incognito nach 
Paris reisen, da er ohne Napoleon nichts erreichen könne; 
denn Rußland und die Pforte würden gegen seine Wahl 
protestiren und Preußen ihn dagegen nicht unterstützen. Sind 
Sie einmal erst in Rumänien, fuhr er fort, so ist die Frage 
viel leichter zu lösen: die Conferenz steht dann vor einer 
vollendeten Thatsache, und die protestirenden Mächte werden 
schließlich eine Thatsache, die nicht rückgängig zu machen ist, 
anerkennen müssen. Ubrigens, schloß er, sollte die Sache 
dennoch mißlingen, so würden Sie für Ihr ganzes Leben 
die angenehme Erinnerung an ein pikantes Abenteuer haben.
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.