1866 Prinz Karl tritt die Regierung Rumäniens an. 353
aber Urlaub geben, unter der Bedingung, daß er bei der
lberschreitung der Grenze seinen Abschied einreiche; ein
preußischer Officier könne im Augenblick der Mobilmachung
nicht außer Landes gehn. Am 11. Mai verschwand darauf
der Prinz plötzlich aus Düsseldorf und erschien, auf der
Reise durch das ihm feindselige Osterreich, halb verkleidet
und von Niemand bemerkt, am 20. plötzlich in Rumänien,
wurde von unermeßlichem Jubel empfangen und nahm ohne
Weiteres in Bukarest von der Regierung Besitz. Es zeigte
sich bald, daß Bismarck und Fürst Karl Anton richtig gerechnet
hatten. Wohl erklärte die Conferenz in Paris einstimmig
die Vertragswidrigkeit und folglich die Ungesetzlichkeit der
Wahl, aber als darauf die hohe Pforte die Vollmacht zu
Zwangsmaaßregeln forderte, erfuhr sie Zurückweisung auf
allen Seiten. Die Türkei wünschte keine russischen, Rußland
keine türkischen Truppen in Rumänien zu sehn, Osterreich
aber, welches soeben in den Kampf gegen Preußen hinein-
schritt, hatte keine Sehnsucht, in seinem Rücken irgend ein
Kriegsfeuer auflodern zu sehn. So konnte Fürst Karl
ungestört sein Ministerium bilden, Truppen an den türkischen
Grenzen aufstellen, die Verwaltung des Landes in vorläufige
Ordnung bringen. Daheim aber erklärte Preußen allen
Mächten, daß der Prinz vollkommen selbständig verfahren
sei und für seinen Schritt die Erlaubniß des Königs weder
nachgesucht noch erhalten habe. Es entsprach vollkommen
den Thatsachen; aber kein Mensch wollte es glauben. Eine
solche Behauptung, daß unter einem so willensstarken König
wie Wilhelm I., unter einem so energischen Minister wie
Graf Bismarck ein preußischer Prinz einen solchen Schritt
ohne königliche Zustimmung gewagt hätte, erschien aller
v. Sybel, Begründung d. deutschen Reiches. VI. 23