358 Deutsche und orientalische Frage. 1868
Rußland unter der Aufschrift „Eisenbahn-Materialien“ im
August nach Rumänien gelangt sei. Jetzt schien kein Zweifel
mehr möglich, daß Bratianu's Treiben durch die beiden
Großmächte gefördert, wenn nicht veranlaßt, daß der europäische
Friede ernstlich bedroht sei.
Ganz so schlimm stand es nun in Wahrheit nicht. Jener
Transport enthielt einen Theil der vor mehr als einem Jahr
von Rumänien in Berlin gekauften Hinterlader, bei deren
Bestellung Fürst Karl so wenig wie die preußische Regierung
an kriegerische Unternehmungen gedacht hatte. Zur Zeit
wußte man, daß weder Osterreich noch die Türkei eine Waffen-
sendung nach Bukarest gelangen lassen würden, und so wählte
Herr von Roon den Transport über Rußland und, um jeden
Lärmen zu. vermeiden, die falsche Declaration, deren Bekannt-
werden dann freilich die Aufregung verdoppelte. Bratianu's
Verfahren blieb ganz geeignet, den Argwohn immer mehr zu
steigern. Die bewaffneten Einfälle in Bulgarien wiederholten
sich, eine türkische Beschwerde wurde unter Abläugnung jeder
Theilnahme an den Angriffen in grobem Tone beantwortet,
mit hastigem Eifer auch bei den Regierungstruppen weiter ge-
rüstet, die Recrutirung verstärkt, eine große Volksbewaffnung
eingeleitet, und zugleich bei den Siebenbürger Rumänen ganz
offen eine lebhafte nationale Wühlerei entfaltet. Kurz, der
Schein war vollständig, daß der preußische Waffentransport das
Mittel und zugleich das Signal zu einer allgemeinen Er-
hebung der daco-rumänischen Nation unter preußisch-russischem
Schutz zur Befreiung und Vereinigung der bisher von Türken
und Osterreichern abgetrennten Stammesbrüder sein sollte.
Während auf solche Art durch die Rumänen Osterreich
in seinem Besitzstand bedroht und die französische Beschützung