Full text: Die Begründung des Deutschen Reiches durch Wilhelm I. Sechster Band. (6)

376 Deutsche und orientalische Frage. 1868 
Da griff denn derselbe Friedensstifter wie vier Wochen 
früher in Rumänien ein. Für Preußen lagen die Dinge 
ähnlich wie 1859 bei dem italienischen Krieg. Wenn die 
orientalischen Kämpfe die Großmächte in ihre Strudel hinein- 
rissen, so bedeutete Preußens Theilnahme daran das Abziehn 
der französischen Kriegsmacht aus dem Orient an den Rhein, 
für eine Streitigkeit, deren Gegenstand für Preußen damals 
ein viel geringeres Interesse hatte als ein Menschenalter 
später. Blieb aber bei einem solchen Kriege Preußen neutral, 
so fand sich Rußland einer gefährlichern Coalition gegenüber 
als beim Krimkrieg, und würde dem preußischen Freunde 
für das Ausbleiben der Hülfe schlechten Dank wissen. Für 
Bismarck ergab sich aus alledem das kräftigste Bestreben 
für die Erhaltung des Friedens, also bei Rußland die Auf- 
forderung, der gegnerischen Gruppe die erforderlichen Zu- 
geständnisse zu machen. Das Nähere darüber ist nicht 
bekannt; jedenfalls fand Bismarck bei dem Zaren die 
entsprechende Gesinnung, die Abneigung gegen die Ent- 
zündung eines Weltkriegs. 
Am 21. December schlug im Einverständniß mit dem 
russischen Cabinet Bismarck der französischen Regierung die 
Behandlung des türkisch-griechischen Streits durch eine Con- 
ferenz der Großmächte in Paris oder London vor. Frankreich 
ging sofort darauf ein und übernahm es, als auch die 
übrigen Mächte zugestimmt hatten, ein Einvernehmen über 
das der Unterhandlung zu Grunde zu legende Programm 
herbei zu führen. 
Der weitere Verlauf und das schließliche Ergebniß der 
Conferenz hat für unsere Erzählung kein Interesse. Das 
Wesentliche ist, daß eine Verständigung erreicht wurde, in
	        
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