Full text: Die Begründung des Deutschen Reiches durch Wilhelm I. Sechster Band. (6)

38 Vorbereitung des Reichstags. 1867 
Es war, wie man sieht, zugleich ein Angebot und ein 
Begehren der umfassendsten Art. Die beiden Mächte, die 
seit den Tagen des ersten Napoleon sich argwöhnisch und 
eifersüchtig gegenüber gestanden, würden jetzt in enger Ver- 
einigung und überwältigender Kraft die Lcitung eines neu- 
gestalteten Europa übernehmen. Wir haben uns im Anfang 
dieses Capitels die Unsicherheit der damaligen Weltlage ver- 
gegenwärtigt: eine französische Allianz, wenn sie ehrlich gemeint 
sein konnte, hätte die europäische Stellung des norddeutschen 
Bundes für den Augenblick gestärkt, und einen solchen Vor- 
schlag kurzweg zurückzustoßen, erschien Bismarck, auch nach 
der Beendigung des deutschen Kriegs, nicht nützlich. Aber 
was konnte man von einer Verhandlung darüber hoffen? 
und wenn ein Abschluß gelänge, wie groß wäre die Aussicht 
auf sichere Dauer der neuen Freundschaft? In Paris herrschte 
die Gesinnung, die in dem mächtigen Wachsthum Preußens 
unter allen Umständen eine Verletzung der nationalen Ehre 
und der Machtstellung Frankreichs in Europa sah. Deshalb 
hatte Bismarck schon seit dem dänischen Kriege keinen Zweifel 
darüber gehabt, daß die hier begonnene deutsche Entwicklung 
nicht ohne einen Kampf mit Frankreich zum Schlusse geführt 
werden könnte. Er hatte bei seiner ersten Anregung der 
Erwerbung Schleswig-Holsteins, December 1863, es aus- 
gesprochen, man werde sie, ebenso wie jene Schlesiens, mit 
großen Kriegen vertheidigen müssen. Und nün vollends nach der 
Umgestaltung Deutschlands im Jahre 1866 hielt er den Los- 
bruch eines französischen Angriffs nur noch für eine Frage der 
Zeit, wobei er es allerdings als seine Aufgabe erkannte, den Be- 
ginn des Conflicts nach Möglichkeit hinauszuschieben, und Frank- 
reich durch scheinbares Eingehn auf seine Wünsche hinzuhalten.
	        
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