Full text: Die Begründung des Deutschen Reiches durch Wilhelm I. Sechster Band. (6)

58 Die ersten Wochen des Reichstags. 1867 
Telegraphen-Parlament, aber von einem wirklichen Parlament 
sei nicht zu reden. Nur durch die Erfüllung dieser Forderung, 
betheuerte er, können wir die Zustimmung des preußischen 
Landtags erhalten; er gibt sie nicht ohne die Bewilligung 
eines vollen Budgetrechts. Jahre lang hat er für dessen 
Erhaltung gestritten; nimmermehr wird er es hier zerstören 
lassen, auch auf die Gefahr hin, daß dieser dritte Versuch 
der deutschen Neugestaltung scheitere. Man fragt, sagte er, 
was dann zu geschehn habe? Auch hier ist die Antwort einfach: 
Sicherung der Wehrkraft durch Militärconventionen, Entwick- 
lung des Wohlstandes durch Erhaltung des Zollvereins; mehr 
bedarf es nicht, wenn wir die constitutionelle Freiheit bewahren. 
Auch über die Frage der künftigen Vereinigung mit 
Süddeutschland hatte Waldeck keinen andern Gedanken als 
dieselben Schlagworte der radicalen Theorie. Die süddeutschen 
Staaten sind constitutionell, sagte er, wir werden sie haben, 
wenn wir echte constitutionelle Freiheit schaffen, ein anderes 
Mittel, sie zu locken, gibt es nicht. Es war wieder die 
völlige Nichtachtung der Erfahrungen von 1849 und 1859, 
und die absolute Unkenntniß der süddeutschen Zustände im 
Jahre 1867. Er hatte keine Ahnung davon, wie sehr im 
Süden damals noch der particulare Sinn überwog, wie viel 
weniger dort die Mehrheit sich um die Gestaltung der nord- 
deutschen Bundesgewalt, als um die eigne Unabhängigkeit 
von derselben kümmerte, wie also sein parlamentarischer 
Einheitsstaat dort nicht eine Lockung, sondern ein Gegenstand 
des Abscheus gewesen wäre. Daß der bayerische Minister- 
präsident, Fürst Hohenlohe, ein durchaus gegen Preußen 
freundlich gesinnter Mann, gleich nach dem Bekanntwerden 
des norddeutschen Verfassungsentwurfs der bayerischen Kammer
	        
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