74 Die ersten Wochen des Reichstags. 1867
Es war wieder, wie im Mai des vorigen Jahres, Thiers,
welcher zu jenen übermüthigen Auslassungen die Losung gab,
indem er eine Interpellation an die Regierung über deren
weiteres Verhalten gegen Italien und Deutschland einbrachte,
und dieselbe am 14. März in einer die ganze Sitzung aus-
füllenden Rede begründete. Es war das Programm der
alten französischen Überlieferung, daß Frankreich in sich
geeinigt und dadurch stark, seine Nachbarn aber in ihrem
Innern zerspalten und dadurch schwach sein müßten. In
weitläufigen Erörterungen, die bis auf Franz I., Richelien
und Mazarin zurückgriffen, geißelte er das Verfahren der
Regierung, welches diese echte Interessenpolitik zu Ehren
eines phantastischen Nationalitätsprincips verlassen, die Ein-
heit Italiens geschaffen, und damit die deutsche Einheit unter
preußischer Herrschaft ermöglicht hätte. Man habe gemeint,
im Trüben fischen zu können, und deshalb Preußen erlaubt,
im Kriege gegen Osterreich und dem deutschen Bunde um
sich zu greifen, damit man selbst anderweitig um sich greifen
könne. Das aber heiße, für ein schnödes Trinkgeld Frank-
reichs Lebensinteressen verrathen. Jetzt sei das Unheil ge-
schehn, und sehr verkehrt würde es sein, etwa mit Waffen-
gewalt die heute erreichte Größe Preußens wieder zertrümmern
zu wollen. Denn damit würde man erst recht die Voll-
endung der deutschen Einheit beschleunigen, Süddeutschland
in Preußens Arme und Preußen in Rußlands Bündniß
treiben. Er bekämpfe also das neue Militärgesetz, welches
die Armee verdoppeln und ganz Frankreich in eine große
Caserne verwandeln wolle. Alles komme darauf an, weitere
Fortschritte des preußischen wie des russischen Ehrgeizes zu
verhindern, und dazu gebe es jetzt nur noch ein Mittel, eine