Full text: Die Begründung des Deutschen Reiches durch Wilhelm I. Siebenter Band. (7)

102 Sieg der liberalen Tendenzen. 1869 
Wahlen von 1863 die Regierung über eine Million Stimmen 
verloren, die Opposition rund 11/3 Million gewonnen. 
Es war also die Unhaltbarkeit der unumschränkten 
Regierung von 1852 dargethan. Noch gab aber Rouher 
das Spiel nicht verloren und hielt den wankenden Kaiser 
fest. Vor Allem galt es, Zeit zu fernerer Erwägung zu 
gewinnen: so wurde die Kammer zwar auf den 28. Juni 
einberufen, zunächst aber nur zu einer außerordentlichen 
Session, mit der einzigen Aufgabe der Prüfung der Voll- 
machten, da die Entwürfe des Budgets noch nicht fertig gestellt 
seien. Allein die Liberalen, durch den Strom der öffent- 
lichen Meinung vorwärts getragen, wollten von Zögerung 
und Verschleppung nichts wissen. Die Mittelpartei kündigte 
eine von 116 Mitgliedern unterzeichnete Interpellation an, 
welche sogleich nach der Constituirung der Kammer zur Ver- 
handlung kommen sollte und die Nothwendigkeit verantwort- 
licher Minister, sowie erweiterter parlamentarischer Rechte 
nachdrücklich aussprach, als die besten Mittel, dem Lande 
einen stärkern Antheil an seinen Angelegenheiten zu verschaffen. 
Einige Wochen vergingen über der Prüfung der Vollmachten, 
und bereits hatte sich Napoleon zum Einlenken entschlossen, 
noch nicht zu voller Nachgiebigkeit, wohl aber zum Entgegen- 
kommen, um hoffentlich günstigere Bedingungen zu gewinnen. 
Kaum war die Kammer constituirt, so sandte er ihr, vor 
dem Beginn der Verhandlung über die Interpellation, eine 
kaiserliche Botschaft des Inhalts, daß er dem Senate, der 
allein das Recht hatte, eine Anderung der Verfassung zu 
beschließen, empfehlen werde, dem gesetzgebenden Körper die 
freie Wahl seines Bureaus, freiere Behandlung der vor- 
kommenden Amendements und Interpellationen, sowie
	        
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