1869 Der Dreibund definitiv zurückgelegt. 109
in unsern diplomatischen Unterhandlungen verzichten, und
dafür im Kriegsfalle, wo das Bündniß seinen vollen Werth
entfalten sollte, von beiden Genossen im Stiche gelassen
werden. Das wäre ein unbilliger Handel. Latour, dem jede
Annäherung an Italien unerwünscht war, trat Lavalette's
Ausführung vollkommen bei.
Auch der Kaiser widersprach nicht. Er erwog zugleich,
daß die Gründe, nach denen er im April zum Antrage des
Dreibundes geschritten war, wesentliche Anderungen erfahren
hatten. Er hatte sich von der streng neutralen Haltung
Preußens in dem belgischen Bahnstreit überzeugt. Der
militärische Freizügigkeitsvertrag zwischen Norddeutschland und
Baden war seitdem in Wirksamkeit getreten; es war klar,
daß er an der politischen Stellung des Großherzogthums
nicht das Mindeste änderte. Bismarck behauptete unver-
rückbar den am 7. September 1867 verkündeten Standpunkt:
die süddeutschen Staaten haben jeden Tag das Recht, ihren
Eintritt in den Nordbund anzumelden, aber Preußen thut
keinen Schritt, sie dazu zu veranlassen. Napoleon schloß
also: seit 1868 haben sich die Verhältnisse gebessert; Preußen
scheint nichts überstürzen zu wollen; kommt die deutsche Ein-
heit im Laufe der Zeiten allmählich zu Stande, so wird das
französische Volk sich gewöhnt haben, sie als unausbleibliches
Naturereigniß zu betrachten und sich deshalb nicht zu kriege-
rischer Aufwallung erhitzen.
Bei so friedlichen Aussichten fand sich Napoleon nicht
veranlaßt, den Abschluß eines wenig vortheilhaften Bündnisses
zu vollziehn. Nach dem schweren Krankenlager war er an
Körper und Geist ermattet, und der Gedanke, in ein neues
System seiner auswärtigen Politik einzutreten, hatte den