138 Klerikale Erhebung. 1848
Christi erkennen. Diese allseitige Adoration konnte ihre Ein-
wirkung auf das Oberhaupt, das ihr Gegenstand war, nicht
verfehlen; sie gab ihm zwar keine neuen Gedanken, aber sie
steigerte den Drang, seine Entschlüsse zu verwirklichen. Papst
Pius IX. (Mastai-Ferretti) hatte von Natur ein starkes Selbst-
gefühl und eine lebhafte Phantasie; sein Nervensystem war
so reizbar, daß er in jungen Jahren oft an epileptischen An-
fällen zu leiden hatte. Wohl war sein geistiger Gesichtskreis
bei der Geringfügigkeit seiner Kenntnisse beschränkt, und sein
bewegliches Temperament hat ihn in äußerlichen Dingen von
augenblicklichen Eindrücken abhängig und in seinem politischen
Verhalten unbeständig gemacht. Aber um so unbeugsamer
war er im Kerne seines Wesens. In seinem Geiste lag ein
tiefer mystischer Zug, der ihn, wird berichtet, schon in früher
Jugend bewegt hat. Weiter heran gewachsen, will er durch
innere Erleuchtung erfahren haben, daß die heilige Jungfrau
ihm himmlische Offenbarungen zukommen lasse, und diese
Mittheilungen haben ihn sein Leben lang begleitet. Mehr
und mehr versenkte er sich in religiöse Meditationen und er-
füllte sich mit den höchsten Vorstellungen von der Herrlich-
keit der Kirche in der Welt und der Herrlichkeit des Papst-
thums in der Kirche. Nicht auf wissenschaftliche Beweise
begründete er sie; es waren innerlich erlebte Überzeugungen
und eben deshalb über jeden Zweifel erhaben, gegen jeden
Widerspruch gefeit. Als er dann selbst Pontifex geworden,
und aus dem Exile in Gaeta, wohin ihn die römische Revo-
lution vertrieben, durch die katholischen Mächte wieder auf
den Thron zurückgeführt worden, war es ihm Herzenssache,
seine himmlische Herrin, deren Schutz er im Unheil angerufen,
mit einem neuen irdischen Glanze zu umgeben. Einer zur