Full text: Die Begründung des Deutschen Reiches durch Wilhelm I. Siebenter Band. (7)

152 Parlamentarische Kämpfe. Erfolge der Regierung. 1868 
folgende Jahr erstreckt; dazu sei die schlechte Erndte von 
1867 gekommen, die in Ostpreußen zur wahren Hungers- 
noth geführt und den Staat zu schweren Opfern genöthigt 
habe. Auch die Bundescasse habe große Einbußen an ihren 
Einnahmen gehabt, deren Ersatz das Zollparlament ver- 
weigert habe, so daß die Matricularbeiträge der Bundes- 
staaten sich erhöhmn müßten. Immer aber gebe die Regierung 
die Hoffnung nicht auf, daß ein baldiger Aufschwung er- 
folgen, und deshalb der Nothstand nur ein vorübergehender 
sein würde; sie beantrage deshalb weder neue Steuern noch 
eine Anleihe, sondern Deckung des Deficits durch Veräußerung 
eines Theils des Staatsvermögens, hauptsächlich von Cöln- 
Mindener Eisenbahn-Actien. 
Diesem Antrag hatten Bismarck und Roon in Ermange- 
lung eines Bessern für den Augenblick zugestimmt, waren 
aber im Herzen innerlich entrüstet, weil sie die Bestreitung 
laufender Ausgaben aus dem Capitalvermögen auf die Dauer 
als Verletzung der ersten Grundsätze jeder Staats= und 
und Privat-Okonomie ansahn. Dagegen klärte sich die Stim- 
mung bei den Abgeordneten einiger Maaßen aus, als sie die 
Deckung des Deficits ohne größere Belastung ihrer Wähler 
durch neue Steuern oder Schuldenzinsen vernahmen. Es 
war für Heydt um so erfreulicher, als im ÜUbrigen der 
parlamentarische Horizont stark bewölkt erschien, aus den 
annectirten Provinzen vielseitige Beschwerden und Mißstim- 
mungen angemeldet wurden, in Kurhessen und Hannover 
sich sogar ein Rechtsverein zur Wiederaufnahme Österreichs 
in den deutschen Bund und gleichem Recht für alle Regier- 
ungen, also mit einem Wort die Herstellung der Bundes- 
verfassung von 1815 gebildet hatte. Im Hause selbst herrschte
	        
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