1869 Eröffnung des preuß. Landtags. Deficit von 5½ Million. 171
Wie dies gemeint war, trat zu Tage, als nach einem
Vierteljahr die Wintersession des preußischen Landtags am
6. October 1869 eröffnet wurde. Die Thronrede meldete
für 1870 ein Deficit von rund 5½ Millionen Thaler an,
und in Folge dessen die Nothwendigkeit eines Zuschlags
von 25 Procent auf die Einkommen-, die Classen-, die Mehl-
und Schlachtsteuer an; sie berichtete starke Beschränkung der
Ausgaben fast in allen Ressorts; schlug die Deckung von
13 Millionen in den letzten Jahren ausgegebenen Schatz-
scheinen durch eine feste Anleihe vor, und brachte, hoffentlich
zu einiger Erheiterung der Gemüther, zwei große, längst er-
sehnte und begehrte Gesetzentwürfe ein, eine neue Kreisordnung
für die sechs östlichen Provinzen und das bereits in der
Verfassung verheißene allgemeine Unterrichtsgesetz.
Nun, daß in diesen wichtigen Angelegenheiten endlich
ein erster Schritt erfolge, wurde im Hause dankend anerkannt,
aber der Eindruck, welchen der Inhalt der beiden Vorlagen
gleich bei der ersten Kenntnißnahme hervorrief, war bei der
Mehrheit äußerst zweifelhaft, wenn nicht geradezu abstoßend.
Wie würde es vollends den Anträgen des Finanzministers
ergehn? Was man über die Stimmung der Abgeordneten
vernahm, raubte bei Herrn von der Heydt jede Hoffnung.
Es war vergebens, daß Otto Camphausen ihm den Vorschlag
machte, durch den Antrag auf eine richtige Reform die
Quelle des Unheils zu schließen; er glaubte nicht an die
Durchführbarkeit der Maaßregel, selbst wenn das Haus sie
genehmigte. Am 25. October reichte er seine Entlassung ein,
und nachdem er sie am 26. erhalten, wurde Otto Camp-
hausen, bisher Präsident der Seehandlung, zu seinem Nach-
folger ernannt.