172 Parlamentarische Kämpfe. Erfolge der Regierung. 1869
Eben am 26. hatte das Haus beschlossen, am 29. die
erste Berathung des Staatshaushalts-Etats zu beginnen.
Nachdem einige andere Gegenstände der Tagesordnung er-
ledigt waren, nahm der neue Finanzminister das Wort, um
sich dem Hause vorzustellen, und die Schwierigkeit seiner
Stellung zu betonen, in der er mit höchst ungenügender
Kenntniß der zahlreichen Vorarbeiten und Vorberathungen
plötzlich genöthigt sei, ohne Zögerung in die Behandlung
des Etats einzutreten. Er sei also außer Stande, schon
heute eine vollständige Darlegung der Finanzlage, wie sie
sich nach seiner Auffassung gestalte zu geben, und müsse
um die Erlaubniß bitten, eine nähere Erörterung der am
Stärksten umstrittenen Punkte, nämlich der Höhe des Deficits
und der Mittel zu seiner Deckung, erst nach weiterer In-
formation eintreten zu lassen. Eine allgemeine Andeutung,
fuhr er fort, glaube ich mir schon heute gestatten zu dürfen,
die Andeutung nämlich, daß es mir als ein dringendes Gebot
einer richtigen Finanzpolitik erscheint, in Bezug auf die Til-
gung der preußischen Staatsschulden dem Staate eine größere
Leichtigkeit in der Bewegung zu eimögkichen, ihn in den
Stand zu setzen, in günstigen Jahren gkößere. in ungünstigen
Jahren kleinere Summen auf die Tilgung zu pers#eyen.
(Sehr gut! von verschiedenen Seiten des Hauselk.) Wenn
ich den vorliegenden Etat näher betrachte, und mir sage, daß
er zwar mit einem Deficit von beinahe 5½ Million ab-
schließt, aber zur Tilgung älterer Staatsschulde Ade Summe
von 8/8 Millionen bestimmt und bestimmen mußte, dann
bin ich der Ansicht, daß immerhin bei uns ein Voranschlag
besteht, um welchen uns die meisten Staaten Europas be-
neiden dürfen.