Full text: Die Begründung des Deutschen Reiches durch Wilhelm I. Siebenter Band. (7)

1869 Camphausen über Schuldentilgung. 175 
in den letzten Zeiten viele und große Anleihn gemacht hatte, 
so war die jährliche Zahlung an den Tilgungsfonds bis auf 
82/3 Millionen gewachsen, und zugleich im Staatshaushalt 
ein Deficit von 5 1½ Million entstanden. Camphausen schlug 
nun vor, ungefähr für die Hälfte der vorhandenen Schuld- 
capitalien, 223 Millionen theils zu 4½, theils zu 4 Procent 
Zinsen, jenen Tilgungszwang aufzuheben, die Capitalien viel- 
mehr in eine für die Gläubiger unkündbare Rentenschuld zu 
4½ Procent Zinsen 1) zu verwandeln, und um die hiefür 
nöthige Zustimmung der Gläubiger zu gewinnen, eine Prämie 
von höchstens einem Procent für die Conversion zu bewilligen. 
Camphausen hoffte, daß zu diesen Bedingungen der bei Weitem 
größte Theil der Gläubiger die Conversion annehmen würde; 
für die Ablehnenden bliebe Alles beim Alten. Der Minister 
erklärte sodann, daß durch den Wegfall des Tilgungszwangs 
bei 223 Millionen der Staat eine jährliche Ersparniß von bei- 
nahe 4½ Million machen, den Steuerzuschlag nicht bedürfen, 
und den Rest des Deficits mit dem Ertrage mehrerer un- 
rentabler, längst zum Verkaufe bestimmter Domänen decken 
würde. 
Bei der Verhandlung, die sich sogleich in großer Aus- 
führlichkeit entspann, kam ein auf die Sache gerichteter Tadel 
kaum vor, im Gegentheil, einer der schärfsten Widersacher, 
E. Richter, erklärte, daß, wenn das Princip der Maaßregel 
einmal anerkannt wäre, die Ausführung nicht besonnener und 
scharfsinniger hätte gestaltet werden können, als der Minister 
1) Einen niedrigern Zinsfuß durfte man nicht proponiren, denn 
die 4½ % igen Papiere hatten damals einen Curs von 97. Bot man 
für die Zukunft einen niedrigern Zinsfuß, so lief man Gefahr, daß 
viele Gläubiger die Rückzahlung des Capitals zum Neunwerth begehrten.
	        
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