Full text: Die Begründung des Deutschen Reiches durch Wilhelm I. Siebenter Band. (7)

10 Beginn des Reichstags. 1868 
steller geltend zu machen, nur mit der einen Einschränkung, 
daß zwar die Redefreiheit unbedingt sei gegen jeden im Hause 
Anwesenden, Minister und Abgeordneten — die können sich 
wehren, sagte er, es ist ja auch niemand gezwungen, Minister 
zu sein —, aber er wünsche die Erhaltung des gerichtlichen 
Schutzes für die Privatehre eines Abwesenden, der in der 
Verhandlung des Hauses verlästert worden sei. Hienach also 
werde er in Preußen zu wirken suchen. Für die Annahme 
aber eines Reichsgesetzes, wie der Antrag es begehre, im 
Bundesrathe einzutreten, könne er nicht in Aussicht stellen, 
da derselbe über die Competenz des Bundes hinausgehe. 
Allein der Entschluß des Hauses stand fest. Mit einer 
bei politischen Streitfragen in dieser Versammlung seltenen 
Mehrheit, 119 gegen 65 Stimmen, nahm der Reichstag den 
Antrag Lasker an. Hatte Bismarck über Waldeck einen, wenn 
auch knappen Sieg davongetragen, so war es ihm hier nicht 
gelungen, die Mehrheit zu sich hinüber zu ziehn. Wohl 
aber setzte er bald nachher im Bundesrathe einen einstimmigen 
Beschluß durch, welcher dem Antrag Lasker die Bestätigung 
versagte. Indessen war dieses Mal der Gegensatz kein feind- 
licher mehr, denn wenn auch die gesetzliche Beseitigung der 
Beschwerde noch aufgehoben blieb, so kam seitdem doch auf 
deutschem Boden kein Fall mehr vor, bei dem ein Abgeord- 
neter wegen einer Parlamentsrede vor Gericht verfolgt worden 
wäre. « 
Gleich nach dieser Verhandlung trat die Pause der Oster- 
ferien ein; dann folgten sechs ruhige Tage, wo gleiche Sorge 
für das allgemeine Beste die beiden Bundesgewalten auf 
gleicher Bahn erhielt, und keine Machtfrage ihre Gemüther 
entzweite. Aber schon am siebenten änderte sich plötzlich das
	        
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