1869 Schwierigkeit der Bildung eines neuen Cabinetts. 193
und jetzt ganz rückhaltlos über die Bildung eines parlamen-
tarischen Ministeriums unter Ollivier's Leitung. Indessen
trotz des beiderseitigen guten Willens zeigten sich mannich-
faltige Schwierigkeiten. Der Kaiser erkannte die Abhängigkeit
des künftigen Cabinetts von der Mehrheit der Volksvertre-
tung an, wünschte aber doch, daß die Personen möglichst
conservative und zuverlässige Bonapartisten sein möchten.
Dagegen fand sich Ollivier durch alle Momente der Ver-
gangenheit und der Gegenwart auf den Eintritt zahlreicher
und bedeutender Elemente des gemäßigten Liberalismus hin-
gewiesen; er hatte der Republik den Rücken gekehrt, um so
kräftiger mußte er seine liberalen Anschauungen bekunden.
Die erste Frage war, ob einer der bisherigen Minister auf
seinem Posten bleiben könnte. Gegen den Kriegs= und den
Marine-Minister sowie den Minister des kaiserlichen Hauses
erhob Ollivier keine Einwendung. Um so entschiedener wider-
sprach er dem bisherigen Minister des Innern, einem Ge-
sinnungsgenossen Rouher's, war aber bereit, den Finanz-
minister Magne wegen dessen technischer Befähigung und
politischer Fügsamkeit auf seine Liste zu setzen. Was die
auswärtigen Angelegenheiten betrifft, so lehnten auf Napoleon's
Frage die beiden letzten Minister ab, der Fürst Latour, weil
Ollivier als sein Programm für dieses Fach ganz einfach die
Erhaltung des Friedens ohne Beschränkung angegeben hatte,
und damit, folgerte Latour, Süddeutschland den Preußen
und Rom den Italienern Preis gegeben wäre. Loavalette
hätte daran schwerlich Anstoß genommen, schenkte aber, wie
es scheint, der praktischen Fähigkeit des neuen Lenkers nicht
Vertrauen genug, um in Gemeinschaft mit ihm den Sprung
in das Dunkle zu wagen, ohne den die Schöfung einer
v. Sybel, Begründung d. deutschen Reiches. VII.