200 Eindringen klerikaler Tendenzen in die franz. Regierung. 1870
Leider aber änderte sich gleich am folgenden Tage die
Scene. .
Eine weitere Interpellation brachte am 23. Februar
die officiellen Candidaturen bei den Parlamentswahlen zur
Sprache. Der Minister des Innern, Chevandier de Valdrome,
erwiderte: die Gründung einer parlamentarischen Regierung
schließt offenbar das Aufgeben des Systems der officiellen
Candidaturen in sich; allein indem die Regierung diese Er-
klärung abgibt, ist sie durchaus nicht gewillt, auf das Recht
zu verzichten, welches jeder Regierung zukommt, die Candi—-
daten als ihre Freunde oder Gegner den Wählern zu be-
zeichnen (lebhafter Beifall, auf der Linken stürmischer Wider-
spruch). Hier zeigte sich, wie der langjährige Mißbrauch
unter Rouher's Verwaltung die Gemüther bei einer so ein-
fachen Frage verhetzt und das Urtheil verfälscht hatte. Ollivier
erhob sich, um die Erklärung seines Collegen über das Recht
der Regierung zu wiederholen. Dann aber ließ er sich durch
die Erinnerung an seine Vergangenheit und durch den Strom
der eignen Rede fortreißen. Dies Recht sei unbestreitbar,
rief er, „aber ebenso unzweifelhaft muß es das Bestreben
eines liberalen Ministeriums sein, es nie anzuwenden; das
Ministerium muß das Land so stimmen, daß es den Wählern
allein die Sorge für die Vertheidigung der Regierung über-
lassen kann. Wir rufen also dem Lande zu: verlaßt Euch
nicht auf unsere Vormundschaft; vertheidigt mit eigner Kraft
Euch selbst und uns. Nicht die Regierung ist stark, die ihre
Freunde unterstützt, sondern die von ihnen gestützt und
getragen wird.“
Dieses Mal war die Linke zufrieden, um so kräftiger
aber brach der Zorn der Rechten hervor. Wie sollen wir,