12 Beginn des Reichstags. 1868
Ausführung komme, wenn die vorgesetzte Behörde der Ver-
waltung, der Bundeskanzler, das nach dem Commissions-
bericht erforderliche Eingreifen unterlasse. Es handle sich
also nur um einen ganz singulären Fall, aus dem weitere
bedenkliche Consequenzen gar nicht zu ziehn wären.
Indessen gerade seine eifrigsten Helfer (Reichensperger,
Hänel) erhoben gegen diese Auffassung nachdrücklichen Protest.
Nein, der Antrag sei eben wegen seiner großen, wahrhaft
grundlegenden Bedeutung vortrefflich. Er führe zu einer
wirksamen Verantwortlichkeit nicht bloß jener unteren Be-
amten, sondern des Bundeskanzlers selbst, wenn dieser ent-
weder seinen Untergebenen falsche Weisungen ertheilt hätte, oder
gegen gesetzwidrige Handlungen derselben nicht in der er-
forderlichen Weise- eingeschritten wäre. Daß er überhaupt
verantwortlich sei, erkläre die Verfassung ausdrücklich, und
erkenne damit das Princip an: werde es durch den Antrag
zu praktischer Geltung gebracht, so sei das keine Inderung,
sondern eine Verwirklichung der Verfassung. Die Behaup-
tung, daß die Verfassung nicht eine juristische, sondern nur
eine sogenannte moralische Verantwortlichkeit habe anordnen
wollen,“ sei ein thörichtes Ammenmährchenz die Verfassung
sei kein Gebetbuch und kein Moralkodex; sie sei ein Gesetz,
und verfüge also stets rechtliche Befugnisse und Verpflichtungen.
Ebenso unbegründet sei der Einwand, daß das durch den
Antrag dem Reichstag zugedachte L’erche eine Neuerung
sei und einem Streben nach Machterweiterung entspringe.
Wenn einmal die ministerielle Verantwortlichkeit zur praktischen
Durchführung kommen solle; so habe es bisher aller Welt
als selbstverständlich gegolten, daß die Volksvertretung die
Klage über die Verletzungzeines Verfassungs-, d. h. eines