Full text: Die Begründung des Deutschen Reiches durch Wilhelm I. Siebenter Band. (7)

12 Beginn des Reichstags. 1868 
Ausführung komme, wenn die vorgesetzte Behörde der Ver- 
waltung, der Bundeskanzler, das nach dem Commissions- 
bericht erforderliche Eingreifen unterlasse. Es handle sich 
also nur um einen ganz singulären Fall, aus dem weitere 
bedenkliche Consequenzen gar nicht zu ziehn wären. 
Indessen gerade seine eifrigsten Helfer (Reichensperger, 
Hänel) erhoben gegen diese Auffassung nachdrücklichen Protest. 
Nein, der Antrag sei eben wegen seiner großen, wahrhaft 
grundlegenden Bedeutung vortrefflich. Er führe zu einer 
wirksamen Verantwortlichkeit nicht bloß jener unteren Be- 
amten, sondern des Bundeskanzlers selbst, wenn dieser ent- 
weder seinen Untergebenen falsche Weisungen ertheilt hätte, oder 
gegen gesetzwidrige Handlungen derselben nicht in der er- 
forderlichen Weise- eingeschritten wäre. Daß er überhaupt 
verantwortlich sei, erkläre die Verfassung ausdrücklich, und 
erkenne damit das Princip an: werde es durch den Antrag 
zu praktischer Geltung gebracht, so sei das keine Inderung, 
sondern eine Verwirklichung der Verfassung. Die Behaup- 
tung, daß die Verfassung nicht eine juristische, sondern nur 
eine sogenannte moralische Verantwortlichkeit habe anordnen 
wollen,“ sei ein thörichtes Ammenmährchenz die Verfassung 
sei kein Gebetbuch und kein Moralkodex; sie sei ein Gesetz, 
und verfüge also stets rechtliche Befugnisse und Verpflichtungen. 
Ebenso unbegründet sei der Einwand, daß das durch den 
Antrag dem Reichstag zugedachte L’erche eine Neuerung 
sei und einem Streben nach Machterweiterung entspringe. 
Wenn einmal die ministerielle Verantwortlichkeit zur praktischen 
Durchführung kommen solle; so habe es bisher aller Welt 
als selbstverständlich gegolten, daß die Volksvertretung die 
Klage über die Verletzungzeines Verfassungs-, d. h. eines
	        
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