1870 Kaiser Frz. Jos. lehnt jeden Gedanken an ein frz. Bündniß ab. 233
daß man immer noch weitere Verbesserungen vorbehielt. Zu-
letzt drang der Erzherzog in den General, wenn er auch
weder Creditiv noch Vollmacht hätte, den Kaiser Franz Joseph
um eine Privataudienz zu bitten. Lebrun, obgleich nicht
ohne Bedenken, ging darauf ein und wurde gnädig empfangen.
Er trug den Gegenstand seines Auftrags an den Erzherzog
vor, der Kaiser aber, ohne auf den Feldzugsplan einzugehn,
sagte ihm, er wolle die Gelegenheit zu einer offenen Er-
klärung benutzen, er könne sich schlechterdings nicht verpflichten,
wenn Frankreich mit Preußen in Streit geriethe, gleichzeitig
mit Frankreich den Krieg zu erklären. Er erinnerte an die
Gegensätze unter den Stimmungen seiner Völker; auf das
Außerste würden seine deutschen Unterthanen sich gegen einen
Krieg mit Norddeutschland sträuben. Der Feldzugsplan
scheine ihm ganz angemessen, aber dringend bitte er den
Kaiser Napoleon, sich keiner Täuschung über einen von Oster-
reich zu erwartenden Beistand hinzugeben.
Also nicht einmal ein mündlicher Ausdruck der Geneigtheit,
demnächst in die Verhandlung eines Bündnisses einzutreten.
Wieder wie im Januar 1867 konnte Napoleon ausrufen:
ich habe keinen Freund in der Welt. Österreich stand fest in
der Neutralität. Ein Bündniß mit Italien war durch Ollivier's
römische Politik höchst problematisch geworden. Dies war aller-
dings dazu angethan, wo etwa in Paris sich eine kriegerische
Aufwallung regen möchte, einen kräftigen Dämpfer aufzusetzen.
So war es kein Wunder, wenn am 30. Juni bei der
Berathung des Armeebudgets für 1871 der Kriegsminister
in Anerkennung des ungetrübten Friedensstandes zur Er-
leichterung der Militärlast mit einer Aushebung von 90000
statt von 100 000 Mann sich begnügen zu wollen erklärte.