1869 Benedetti's Gespräch mit Bismarck. 245
Es liegt hier ein glänzendes Beispiel vor, wie ein arg-
wöhnischer Geist aus einem Nichts heraus Vorstellungen ent-
wickelt, welche ihn selbst über den wahren Thatbestand
gründlich täuschen, und weiterhin die Keime zu furchtbaren
Katastrophen ausstreuen. Benedetti verweist an dieser Stelle
auf seinen Bericht vom 31. März, wonach Thile ihm sein
Wort gegeben hätte, der König werde niemals der Candidatur
zustimmen, während jener Bericht in Wahrheit nur von einem
Ehrenworte Thile's redet, daß er niemals das Geringste von
der Sache vernommen habe. Benedetti erklärt weiter, Bismarck
habe anerkannt, daß die Entschließung des Prinzen stets von
dem Befehle des Königs abhänge: nun, wir haben oben!) bei
der Darlegung des Hohenzollern'schen Familienrechts in der
rumänischen Wahlfrage gesehn, daß Bismarck dies gar nicht
gesagt haben kann, daß er vielleicht geäußert hat, der Prinz
werde ohne Zustimmung des Königs nicht annehmen wollen,
sicher aber nicht, daß er ohne dieselbe nicht annehmen dürfe.
Benedetti hat ferner dem Kanzler von der entschiedenen
Willensmeinung Napoleon's über eine Candidatur Hohen-
zollern nicht die leiseste Andeutung gemacht, sondern hat sich
mit der Anführung der aller Welt bekannten Thatsache be-
gnügt, daß Frankreich ein großes Interesse an der spanischen
Thronfrage nehme. Ihm däuchte es selbstverständlich, daß
Preußen niemals einem davon abweichenden Gedanken
Raum geben dürfe; so erschien es ihm als schwerer Ver-
dachtsgrund, daß Bismarck, welchem die Möglichkeit einer
solchen Forderung gar nicht in den Sinn kam, immer nur
von dem vorliegenden und nie von etwaigen Fällen der Zu-
kunft redete. Benedetti war ein friedliebender Mann; er
1) Band VI, S. 347 ff.