Full text: Die Begründung des Deutschen Reiches durch Wilhelm I. Siebenter Band. (7)

1868 Eröffnung des Zollparlaments. 17 
zu mildern und sie in gemeinsamer Arbeit dem Gedanken 
engerer Vereinigung näher zu führen. Die Absicht höflichen 
und herzlichen Entgegenkommens theilten mit ihm, freilich aus 
verschiedenen Gründen, die Conservativen. Für die deutsche 
Einheit waren sie nie begeistert gewesen; ihr feudales Shstem 
hatten stets zum Grundgedanken eine gewisse Unabhängigkeit 
der Gutsherrschaften und städtischen Obrigkeiten gehabt: wie 
hätten sie den süddeutschen Staaten die entsprechende Un- 
abhängigkeit mißgönnen sollen? Anders stand es bei den 
Nationalliberalen. Auch sie wünschten den Streit zu ver- 
meiden, aber sie waren durch die Mißhandlung ihrer Partei- 
genossen im Süden schwer gereizt und durchaus nicht ge- 
sonnen, eine Gelegenheit zu scharfer Verurtheilung dieser 
Vorgänge unbenutzt JZu lassen. Die süddeutsche# Mehrheit 
war auf solche Angriffe gefaßt; mit um so tieferem Miß- 
trauen und regerer Empfindlichkeit langten sie in Berlin 
an. Im Grunde ahnte jedermann, daß wie bei den süd- 
deutschen Wahlen so auch im Zollparlamente die deutsche 
Frage bei keiner Verhandlung zurückgedrängt werden könne. 
So war die Atmosphäre des Sitzungssaals mit elektrischem 
Zündstoff gründlich geladen. 
Die Thronrede, mit welcher König Wilhelm als Inhaber 
der Präsidialgewalt im Zollverein am 27. April die Session 
des Zollparlaments eröffnete, wies auf die durch die Macht 
des nationalen Gedankens gewonnene Ausdehnung des Zoll- 
vereins, und die damit geschaffene Gemeinschaft der Interessen 
zwischen allen seinen Gliedern hin. Bisher sei es nicht 
möglich gewesen, dem berechtigten Verlangen des deutschen 
Volkes nach einer wirksamen Theilnahme an der Gesetzgebung 
des Vereins zu entsprechen, deren Bedürfniß burch die 
v. Sybel, Begründung d. deutschen Reiches. VII.
	        
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