Full text: Die Begründung des Deutschen Reiches durch Wilhelm I. Siebenter Band. (7)

1870 Interpellation Cochery. 273 
Centrum brachten unter der Führung eines Herrn Cochéry 
eine Interpellation über die Candidatur Hohenzollern ein. 
Für Gramont verstand es sich von selbst, daß sie ohne 
Zaudern beantwortet werden müsse, wie mangelhaft man 
auch selbst unterrichtet sein mochte; es fiel ihm nicht ein, 
etwa erst Werther's Antwort aus Ems über die Absichten 
König Wilhelm's abzuwarten: nein, es galt, der im Dunkeln 
schleichenden Wühlerei Bismarck's wie bisher in der Presse, 
so jetzt in der Volksvertretung den gebietenden Willen Frank- 
reichs entgegen zu halten. Er fand sich in diesem Augen- 
blicke durch die auch im Auslande allgemeine Mißbilligung 
der Candidatur Hohenzollern getragen: bei der so sicher auf- 
tretenden französischen Behauptung glaubte man überall, die 
Candidatur sei eine Erfindung Bismarck's; in Deutschland 
spottete man wohl über die thörichte Aufregung in Paris, 
mit der man schwere Gefahren aus der Besteigung des 
schwankenden spanischen Throns durch einen kleinen deutschen 
Prinzen herauswachsen sah, fragte eben deshalb aber auch, 
welche Vortheile Preußen dort erwarten könne, und ärgerte 
sich, daß wegen einer so thörichten Sache der europäische 
Friede in Gefahr geriethe. Vollends die schwäbischen Re- 
publikaner und die bayerischen Ultramontanen jubelten, daß 
Bismarck hier sich einmal gründlich festgefahren habe, und 
riefen den französischen Parteigenossen lebhaften Beifall zu. 
Die europäischen Großmächte aber, ohne gerade die Heftigkeit 
der französischen Bewegung zu billigen, mahnten doch sämmt- 
lich in Berlin, die nicht ganz unberechtigten Gefühle Frank- 
reichs zu schonen. 
Ein wahrhaft friedliebender Staatsmann hätte, wie ge- 
sagt, aus dieser Sachlage den Schluß gezogen, daß es keine 
v. Sybel, Begründung d. deuischen Reiches. VII.
	        
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