1870 Bismarck's Instructionen. 287
Urlaub Anfang August in Berlin einzutreffen. Auch er dachte
nicht an Krieg. Er hatte seit 1866 mehrmals erfahren, daß,
wenn bei einer Meinungsverschiedenheit Preußen ruhig und
furchtlos auftrat, die Wellen des französischen Eifers sich
bald zu beruhigen pflegten. In der spanischen Sache hatte
er, wie wir bemerkten, überhaupt keinen Zwist, sondern eine
leichte Verständigung vorausgesehn. Wohl war ihm Gramont's
feindliche Gesinnung und der Preußenhaß zahlreicher Gruppen
der französischen Arkadier, Klerikalen und Chauvinisten be-
kannt!), aber auch über das schwankende und kriegsscheue
Verhalten Napoleon's hatte er keinen Zweifel und so sprach
er noch am 25. Juni, als der König ihm bereits den Ent-
schluß des Prinzen Leopold mitgetheilt hatte, einem ihm per-
sönlich nahestehenden Diplomaten, Herrn von Schlözer, es aus,
wie er sich freue, daß wir einem völlig ruhigen Sommer ent-
gegen gingen. Demnach war er vollständig überrascht, als
ihm, drei Tage nach dem Bekanntwerden der Candidatur,
durch Gramont's Rede der Kriegsfall in grober Form dicht
vor die Augen gerückt wurde, und zugleich die Pariser Presse
ihren renommirenden Hexensabbath begann. Seine Stellung
dazu war mit dem ersten Augenblick entschieden. Mochte
der Werth der Candidatur für Preußens Interessen groß
oder gering sein, mochte es um ihre Popularität in Deutsch-
land oder Europa stehn, wie es wollte: nach einer insul-
tirenden Herausforderung, wie sie Gramont im Namen
Frankreichs öffentlich verkündet hatte, war bis zu deren
ebenso öffentlicher Zurücknahme für die preußische Regierung
eine Verhandlung der Sache mit Gramont unmöglich. So-
gleich am 8. Juli erhielten Thile in Berlin, Solms in
) Rede im Reichstag 12. Dezember 1874