Full text: Die Begründung des Deutschen Reiches durch Wilhelm I. Siebenter Band. (7)

26 Das Zollparlament. 1868 
frühern Begehren einer großen Zolleinigung zwischen dem 
Verein und Osterreich keine Rede mehr war, sondern das 
einfache Streben nach Erleichterung und Erweiterung des 
Verkehrs, soweit sie ohne zweifellose eigne Schädigung mög- 
lich war, den Inhalt des Vertrags bestimmte. 
Vielleicht noch weiter als in Osterreich waren diese An- 
schauungen auf deutscher Seite verbreitet. Bismarck hatte 
unter den damaligen Verhältnissen seit 1853 und noch ent- 
schiedener seit dem französischen Handelsvertrag diese Richtung 
genommen. Delbrück war von jeher, nach Theorie und Er- 
fahrung, ein energischer Vertreter freihändlerischer Gedanken. 
Im norddeutschen Reichstag bekannte sich eine gewaltige 
Mehrheit zu derselben Farbe. Die Conservativen schwärmten 
in jener Zeit ebenso hitzig für die Abschaffung der Eisenzölle, 
wie ihre folgende Generation für die Erschwerung fremder 
Korneinfuhr. Unter den Nationalliberalen und der Fort- 
schrittspartei war es nur eine kleine Minderheit, welche den 
entgegengesetzten Grundsätzen anhing. Dasselbe galt von den 
Vertretern Darmstadts und Badens, und nur unter den 
Abgeordneten Bayerns und Württembergs fand sich eine 
stärkere Gruppe entschlossener Schutzzöllner. Im Ganzen 
also wurden die neuen Tarise von dem Parlamente nicht 
bloß mit Gunst, sondern mit lauter Freude aufgenommen. 
Es war begreiflich, daß unter solchen Umständen die 
Regierungen sich mit der Hoffnung schmeichelten, zum Dank 
für die schönen Tarife auch eine entgegenkommende Aufnahme 
des zweiten, allerdings weniger populären Theils ihrer Vor- 
lagen zu finden. Durch die Aufhebung oder Verminderung 
so vieler Eingangszölle würde sich, wenigstens für die nächsten 
Jahre, ein ansehnlicher Ausfall in den Zollerträgen ergeben,
	        
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