60 Schluß des Reichstags. 1868
nur die Hälfte ihres Gehalts in Anrechnung käme, und daß
dieses gehässige Privileg jetzt auch auf die Bundesbeamten
ausgedehnt werden sollte. Die Debatte steigerte sich rasch
zu sehr lebhaftem Ton. Als Delbrück hervorhob, es sei doch
ganz unmöglich, die Bundesbeamten schlechter zu stellen als
die Beamten des Einzelstaats, erfolgte die Antwort: nichts
einfacher als die Gleichstellung auf dem Boden des Rechts
zu bewirken: führt das Privileg nicht für die Bundesbeamten
ein, sondern schafft es auch bei den Staatsbeamten ab. Dabei
blieb es: das Privileg wurde für's Erste den Bundesbeamten
versagt.
Eine längere Reihe von Gesetzentwürfen bezog sich auf
verschiedene Gebiete der öffentlichen Wohlfahrt.
Die Aufhebung aller Zinsbeschränkung im vorigen Jahre
veranlaßte einen Antrag der conservativen Partei auf voll-
ständige Abschaffung der Schuldhaft. Jetzt, wo ein schlimmer
Gläubiger sich die abscheulichsten Wucherzinsen erpressen dürfe,
sei es unerträglich, daß der Richter verpflichtet bleibe, zur
Erreichung eines so schändlichen Zwecks durch Einsperrung
des Schuldners zu helfen. Die Juristen hatten gegen den
Antrag, der weitere Anderungen in der Proceßordnung noth-
wendig machte, mancherlei Bedenken, und der Bundesrath
setzte ihm deshalb einen Gesetzentwurf von gleicher Tendenz,
aber von umsichtigerer Ausarbeitung entgegen, der dann auch
nach kurzer Berathung beim Reichstage Annahme fand.
Ahnlich verlief sich die Behandlung eines andern gleich-
falls aus dem Reichstage hervorgegangenen Antrags. Die
durch die rastlose Thätigkeit Schulze's (Delitzsch) seit etwa
zehn Jahren in das Leben gerufenen Genossenschaften, welche
ohne Beihülfe des Staats und ohne gewaltsame Umwälzung