66 Erhebung des Liberalismus. 1852
über der herandrohenden Gefahr weiterer Erschütterungen
und communistischer Tyrannei hatte Alles, was in Frank-
reich zur besitzenden und erwerbenden Classe gehörte — und
dazu zählte die überwältigende Masse der bäuerlichen Be-
völkerung — den rettenden Staatsstreich Louis Napoleon's
mit all seinen Blutthaten jubelnd begrüßt, und die darauf
begründete, alle politische Freiheit vernichtende Dictatur ohne
Widerspruch auf sich genommen. Genug, es war wieder
Ordnung und Ruhe im Lande. Man schwelgte in der
Sicherheit des Eigenthums, der Entfaltung der Industrie
und des Verkehrs, der Steigerung jeder Art der materiellen
Genüsse. Um so grimmiger aber kochte die Wuth in den
Herzen der für den Augenblick niedergeworfenen Parteien.
Der Meineidige des 2. December blieb für sie ein Bandit,
den mit allen Waffen zu bekämpfen als heilige Pflicht jedes
Patrioten erschien.
Anfangs konnte Napoleon mit Verachtung auf diese
wilden Leidenschaften herabblicken. Er war populär bei dem
Clerus, der Armee, den Bauern. Seine Verwaltung errang
mit großer Einsicht bedeutende Erfolge auf dem wirthschaft-
lichen Gebiete, und, was wohl die Hauptsache war, in den
ersten sieben Jahren seiner Regierung wurde seine auswärtige
Politik so kräftig und umsichtig geführt, daß Frankreich sich
plötzlich wieder an der Spitze des ganzen europäischen Staaten-
systems befand. Ein Fürst in solcher Stellung ist noch nie-
mals, und am Wenigsten in Frankreich, gestürzt worden.
Indessen wirkte auch hier die Alles verwandelnde Zeit,
und mit der Dauer seiner Macht erlebte das Kaiserthum
eine rasch fortschreitende Umgestaltung seiner Grundlage.
Das Grauen vor dem rothen Gespenst hatte wie den Besitz,