Full text: Die Begründung des Deutschen Reiches durch Wilhelm I. Siebenter Band. (7)

70 Erhebung des Liberalismus. 1865 
lichkeit der Nation versicherte, und den Kaiser demnach auf- 
forderte, diesem treuen Volke eine weitere Entwicklung der 
politischen Freiheit entgegen zu bringen. Der Antrag, von 
Rechts und Links bekämpft, wurde abgelehnt. Aber „die 
dritte Partei“, die ihn gestellt hatte, war gegründet und 
wurde von mehr als einer Seite her durch günstige Um- 
stände gefördert. 
Zunächst war seit 1859 die Autorität des unbeschränkten 
Kaiserthums durch eine ununterbrochene Reihe von Mißgriffen 
und Fehlschlägen ihrer auswärtigen Politik in schlimmen Ver- 
fall gerathen. Eine aus verschiedenen Elementen gebildete 
Opposition hielt dem ehrgeizigen und reizbaren Volke in 
immer heftigeren Wiederholungen vor, wie sehr Frankrcichs 
Machtstellung in Europa durch das von Napoleon zugelassene 
Heranwachsen der deutschen und der italienischen Einheit ge- 
litten habe, ohne daß dem Kaiser dafür eine Compensation 
durch eignen Landerwerb gelungen sei. Das letzte Ziel der 
Opposition bei diesen Vorwürfen war nicht gerade baldiges 
Entflammen eines Eroberungskriegs, den sie selbst eher scheute 
als wünschte: ihr Streben ging auf den Nachweis der Un- 
fähigkeit des persönlichen Regiments und die Verbreitung 
parlamentarischer Tendenzen im Volke. Allerdings mußte 
Napoleon die Gefahr gerade dieser Angriffe mit schwerer 
Besorgniß empfinden: am Wenigsten ein Bonaparte konnte 
auf die Dauer die Behauptung ertragen, daß unter ihm 
Frankreich eine Macht dritten Ranges geworden sei. Er 
fand sich also wider Willen gedrängt, auswärtigen Erwerb- 
ungen nachzugehn und weiteres Wachsthum der Nachbarn zu 
hindern, deshalb starke Allianzen zu suchen und die eigne 
Heeresmacht in immer höhere Bereitschaft zu setzen. Damit
	        
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