Full text: Die Begründung des Deutschen Reiches durch Wilhelm I. Siebenter Band. (7)

1866 Napoleon's Reformpläne. 71 
wurde dann die ausgesprochene Sicherung des europäischen 
Friedens unmöglich, obgleich sie auch von dem französischen 
Volke, wie von jedem andern lebhaft ersehnt war. 
Diese Sehnsucht erfüllte übrigens niemanden stärker als 
den Kaiser selbst. Nach allen Beziehungen seiner Natur war 
er ein Mann des Friedens und nicht des Kriegs. Er liebte 
zu denken, zu phantasiren, zu träumen, aber es wurde ihm 
schwer, den Entschluß zum Handeln zu fassen, und rasche 
Entschließung, wie der Krieg sie in jedem Augenblick fordert, 
war ihm immer unmöglich. Vollends als er 1859 die Grenel 
des Schlachtfeldes in dichter Nähe gesehn, waren seine Nerven 
schwer erschüttert und der Gedanke nochmaliges Blutvergießens 
ihm abscheulich. In dieser Lage traf ihn der für sein weiteres 
Dasein entscheidende Schlag: im Jahre 1865 erlebte er den 
ersten Anfall einer gefährlichen Nieren= und Blasenkrankheit, 
welche dann nach kürzeren oder längeren Zwischenräumen 
alljährlich mit wachsender Stärke wiederkehrte, manches Mal 
sich mit Ischias= oder Gichtschmerzen complicirte, jedenfalls 
aber die Hoffnung auf vollständige Heilung immer bestimmter 
ausschloß. Unter ihren quälenden Schmerzen versagten dem 
Kaiser die körperlichen und geistigen Fähigkeiten, sein einziger 
Gedanke war bewegungslose Ruhe. Nach der Beschwichtigung 
des Anfalls überschlug er in düsterer Sorge die Zukunft, die 
eigne und noch mehr die seines jungen Sohnes. Im August 
1866, soeben vom Krankenlager erstanden, faßte er alle Er- 
wägungen in den Satz zusammen: eine gründliche Anderung 
ist nöthig, ein vollständig neues System der auswärtigen 
und der innern Politik. 
Er begann mit der erstern, indem er dem besiegten 
Osterreich den Rücken kehrte, und dem siegreichen Preußen
	        
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