— 92 —
bei nicht zu kümmern. Er hat nur darüber zu wachen, daß in seinem
Gebiete — Jusammenleben der KNonfessionen, Verhältnis zwischen
Elaubenslehre und Wissensunterricht — kein Schaden geschieht. Die
völlige Trennung, also der Kirche den Religionsunterricht ganz zu
überlassen, ist in diesem Jalle das Empfehlenswertere.
Denn der Lehrer wird als Dertreter der Kirchenlehre
immer eine prekäre Stellung haben. Dogmen sollen als Wahrheiten,
nicht als Fiktionen gelehrt werden. Zuch für rein historisch gefaßte
Mitteilungen der religiösen Urkunden erhebt die Kirche diesen An-
spruch. Jusammenstöße mit feststehenden Ergebnissen der Wissen-
schaft sind darum selbst in der Grundschule nicht zu vermeiden. Sie
können verdeckt, gemildert und schonend behandelt werden, aber sie
bleiben, und die Stellung des Lehrers wird schwierig und unsicher.
Lehren andere das seinem Unterrichte Widersprechende, so kann er,
vor unbequeme Fragen gestellt, ihnen die Derantwortung zuschieben.
Der Schule gollte darum kirchlicher Religionsunterricht auch
in protestantischen Staaten nicht zugemutet werden. Sie könnte
ihn erteilen, wenn die Nirche sich damit begnügen wollte, daß ihre
Dogmen als der Elaube einer Gruppe, als Meinung, Knsicht, hoff-
nung gelehrt würden. Dem KNinde gegenüber brauchte das, was Sik-
tion und was Wirklichkeit ist, trotzdeem nicht immer und überall ängst-
lich geschieden werden, wenn nur die Scheidung zulässig und, wenn
nötig, ohne weiteres selbstverständlich wäre.
Wird der Religionsunterricht der Kirche überlassen, so darf der
Staat keinerlei direkten oder indirekten Jwang ausüben. Es müssen
aber gewisse Tage oder Stunden von allen Schulforderungen (Unter-
richt, Spiel, Qusflüge) frei bleiben. Die Konfessionen und Reli-
gionsgesellschaften einschließlich der Dissidenten sind bei der
Derpflichtung bzw. Uichtverpflichtung zum Religionsunterricht völlig
gleich zu behandeln. Der Staat hat kein Recht, ein Kind in irgend-
einen Glaubensunterricht hineinzuzwingen. Dagegen kann seine Be-
fugnis, Kinder zur Teilnahme am allgemeinen, geschichtlich gerich-
teten Religionsunterricht zu verpflichten, nicht bestritten werden,