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Ich hatte hier zum ersten Male Gelegenheit, die eigen-
thümliche, wunderbar bestechende Art der Causerie kennen
zu lernen, mit der der Fürst die Unterhaltung bei Tische
beherrschte. Er liebte es, im ungezwungensten Tone schein-
bare Paradoxa aufzustellen, hinter denen sich aber fast
immer eine tiefe Wahrheit verbarg. An diesem Tage
variirte er unter Anderem das alte Thema von Liebe und
Haß. Er behauptete, Goethe habe Unrecht gehabt, wenn
er gemeint, nur die Liebe verschönere das Leben. Der
Haß thue dieselben Dienste, er sei ein eben so großer
Lebenserhalter, wie die Liebe. „Mir sind unentbehrlich:
für die Liebe meine Frau, für den Haß — Windthorst."
Später sprach er von den Staatskrankheiten, namentlich
der „Laskerei“, die in ihrem verbohrten liberalen Doctri-
narismus immer Zweck und Mittel, Reden und Handeln
verwechsle und schließlich zur Auflösung des Staatsge-
dankens führen müsse, der mit keiner Parteischablone zu
vereinigen sei.
Nachdem wir den Kaffee getrunken und unsere Cigarren
geraucht hatten, bat der Fürst Sybel und mich, ihm in
sein Arbeitszimmer zu folgen und hier entspann sich nun
ein lebhaftes Rede-Duell zwischen uns beiden, bei dem der
Fürst die Rolle des Unparteiischen spielte. Sybel bot alle
Künste seiner scharfen Dialektik auf, um den Fürsten gegen
die rheinische Kreis-Ordnung einzunehmen, ich war ihr
warmer Vertheidiger. In einigen anderen Fragen, na-
mentlich hinsichtlich der Gestaltung der Provinzialbehörden,
fand eine nicht unerwünschte Uebereinstimmung statt. Erst
gegen Mitternacht brachen wir auf, nachdem der Fürst uns