—** Otto von Bismarck °.//9.
*§/% (Reden aus großer Zeit) J 7
# * Unter vorstehendem Titel hat Eugen Kalkschmidt
eine neue Auswahl der Meisterreden des großen Staats=¬
mannes (Einhorn=Verlag München und Leipzig 1907) er¬
scheinen lassen. Der erste Band (der zweite soll erst später
zur Ausgabe gelangen) umfaßt die Zeit von 1847 bis 1873.
Er soll den nationalen Schatz an staatsmännischer Lebens¬
arbeit, der in Bismarcks Reden ruht, wiederum ins helle
Licht des Tages rücken und dartun, daß der alte und
feurige Glanz dieses Goldes noch unverwüstlich leuchtet.
Wir sollen uns erinnern, wie jene Aussprüche entstanden
sind, die, was die großen nationalen Fragen betrifft, noch
heute aktuellen Wert haben. Darum ist auch die Auswahl.
nicht in irgendeinem Parteisinne getroffen, der dies betont
und jenes verschweigt, der Verfasser bemüht sich vielmehr
jede irgendwie über den Augenblick hinaus bedeutsame
Außerung sozusagen mit ihren Wurzeln und dem
Erdreich daran emporzuheben. Besonderes Interesse
verdienen die Reden aus der Zeit des preußischen Ver¬
fassungskonflikts sowie die Außerungen über die polnische
und schleswig=holsteinische Frage. Auf die Bemerkung
eines Herrenhausmitgliedes, die polnische Bewegung
(1863) richte sich nur gegen Rußland, antwortete Bismarck:
„Selbst dann, wenn unsere Provinzen nicht in Gefahr
wären, — so haben wir an und für sich das politische, ja
ich darf sagen das soziale und das sittliche Inter¬
esse, daß diese Bewegung in Rußland und im Königreiche
Polen nicht zum Sieg gelange. Schon eine regel¬
mäßige polnische Regierung mit Streben nach
Erweiterung ihrer Herrschaft bis zu den Grenzen
des früheren polnischen Landes, als Nachbarin
Preußens, wäre an sich schon eine wesentliche Gefahr für
unsere Monarchie, eine Gefahr, mit welcher in jedem
Kriegsfalle gerechnet werden müßte, eine Gefahr,
welche einen erheblichen Teil unserer Truppen absorbieren
und an anderen Stellen unverwendbar machen würde.
Aber eine Bewegung, deren Leiter die unerhörtesten
Verbrechen als regelmäßige politische Mittel
in ihren Kodex aufgenommen haben, welche der
Sittlichkeit bis zur Apotheose des Meuchelmordes
den Rücken gedeckt hat, eine solche Partei in keinem uns
benachbarten Lande zur Herrschaft gelangen zu lassen,
daran hat die preußische Regierung das lebhafteste Interesse.“
In der schleswig=holsteinischen Frage war Bismarck
bekanntlich im Gegensatz zu der liberalen Mehrheit des
preußischen Abgeordnetenhauses gegen die Schaffung
eines neuen Kleinstaates. Ein Abgeordneter ver¬
trat die Meinung, daß die kleinen Staaten, also auch das
neu zu schaffende, sich an Preußen anlehnen. Darauf er¬
widerte Bismarck: „Die Geschichte lehrt das Gegenteil;
die kleineren, ausgehend von der Bregenzer Koalition
lam 11. Oktober 1850 hatten in Bregenz Kaiser Franz
Josef und die Könige von Bayern und Württemberg die
gemeinsame Politik gegen die preußischen Unionsbestre¬
ungen vereinbart), haben sich an Österreich angelehnt.
Gegen diese durch die nationale Besorgnis der Klein¬
staaten für ihre Souperänität hervorgebrachte Stellung